Woher weiß man die Geburtsgeschichte von Jesus Christus?

Kurze Antwort

Die Geburtsgeschichte von Jesus Christus erzählt von vielen verschiedenen Ereignissen rund um die Geburt von Jesus. Diese Ereignisse stehen in den Evangelien Matthäus 12 und Lukas 12 in der Bibel. Die historische Erforschung dieser Geschichten erlaubt uns zu sagen, dass manche der dort beschriebenen Ereignisse wahrscheinlich stattgefunden haben. Auch die anderen Ereignisse haben möglicherweise stattgefunden, wir können darüber aber kein endgültiges Urteil fällen.

Eigentlich gibt es nicht die eine Geburtsgeschichte von Jesus, sondern eine ganze Menge Geburtsgeschichten. Die Evangelien Matthäus und Lukas berichten von vielen Ereignissen rund um die Geburt von Jesus.  

Der biblische Befund zur Geburt von Jesus Christus 

Folgende Geschichten erzählt Matthäus:  

  1. Maria, eine Jungfrau, wird durch das Wirken Gottes schwanger (Matthäus 1,18). Ein Engel teilt ihrem Mann Josef mit, dass das Kind von Gott kommt und sie es Jesus nennen sollen (Matthäus 1,20-21).
  2. Jesus wird in Betlehem geboren (Matthäus 2,1). 
  3. Eine Gruppe von Sterndeutern kommt aus einem östlichen Land zum jüdischen König Herodes. Sie teilen Herodes mit, dass sie einen Stern gesehen haben. Aufgrund einer Prophezeiung (siehe 4. Mose 24,17) erwarten sie, dass in Betlehem ein König geboren werden soll und dieser Stern sie dorthin führt (Matthäus 2,2-6). Herodes schickt sie nach Betlehem und bittet sie, ihm Bericht zu erstatten. Sie folgen dem Stern nach Betlehem, finden Jesus, bringen ihm Geschenke und beten ihn an (Matthäus 2,9-11). Die Sterndeuter kehren nicht zu Herodes zurück (Matthäus 2,12).
  4. Ein Engel warnt Maria und Josef: Sie sollen nach Ägypten ziehen, denn der jüdische König Herodes will Jesus töten. Maria und Josef fliehen nach Ägypten. (Matthäus 2,13-15)
  5. Herodes lässt alle kleinen Kinder in Betlehem ermorden (Matthäus 2,16-18).

Folgende Geschichten erzählt Lukas:

  1. Ein Engel kündigt Maria an, dass sie schwanger werden und einen Sohn gebären wird, obwohl sie noch Jungfrau ist. Sie soll das Kind Jesus nennen. Dieses Kind ist der Sohn Gottes und König über Israel. (Lukas 1,26-35)
  2. Es findet eine Volkszählung in Israel statt (Lukas 2,1-3). Zu diesem Zweck reisen Josef und Maria in die Geburtsstadt JosefsBetlehem. Maria gebiert Jesus in einer Herberge in Betlehem. (Lukas 2,4-7) 
  3. Zur gleichen Zeit erscheint ein Engel einer Gruppe von Hirten auf einem Feld. Er teilt den Hirten mit, dass Jesus in Betlehem geboren wurde. Jesus ist der Retter, der in den jüdischen Heiligen Schriften angekündigt wurde, der sogenannte Messias. (Lukas 2,8-14) Die Hirten besuchen Jesus in Betlehem und erzählen von ihrem Erlebnis (Lukas 2,15-20).
  4. Nach jüdischer religiöser Praxis lassen Maria und Josef Jesus an seinem achten Lebenstag beschneiden (Lukas 2,21-24). Das heißt, dass die Vorhaut von seinem Penis entfernt wird.
  5. Im Tempel, wo Jesus beschnitten werden soll, befinden sich zwei Personen, Simeon und Hanna. Beiden hatte Gott mitgeteilt, wer Jesus ist. Sie erkennen ihn und preisen Gott. (Lukas 2,25-38)

  

Die historische Wahrscheinlichkeit der überlieferten Erzählungen 

Die Weihnachtsgeschichte, die man vielleicht aus dem Krippenspiel in der Kirche kennt, kombiniert all diese Erzählungen zu einer Geschichte.

  

Aber haben diese Ereignisse auch tatsächlich stattgefunden? 

 

Natürlich können wir zu manchen der Geschichten wenig sagen. Ein Historiker kann nicht beweisen oder widerlegen, dass ein Engel vor 2000 Jahren einer Gruppe von Hirten oder einem jungen jüdischen Paar begegnete. Genau so wenig kann bewiesen werden, ob Jesus als Baby bei seiner Beschneidung im Tempel von zwei Menschen erkannt wurde. Natürlich kann man behaupten, dass diese Erzählungen komplett fiktiv sind. Man kann allerdings auch einige Argumente finden, die diesen Berichten eine gewisse Wahrscheinlichkeit verleihen. 

 

Diese Argumente beziehen sich vor allem auf die Überlieferung dieser Berichte: Wer hat den Autoren der Evangelien von diesen Geschichten erzählt? Es ist möglich, die Überlieferung auf Maria zurückzuführen. Schließlich wird von Maria zweimal berichtet, dass sie sich die Ereignisse merkte (Lukas 2,19.51). Und es ist wohl sehr unwahrscheinlich, dass die Jünger Maria nicht nach Jesus und seiner Kindheit gefragt hätten. Als die Mutter von Jesus hatte sie schließlich viel zu berichten. Außerdem ist bekannt, dass einige Mitglieder der Familie von Jesus eine wichtige Rolle in der frühen Kirche einnahmen. Es gab also noch mehr Ansprechpartner für die frühen Christen, die Geschichten aus der Kindheit von Jesus kannten. Möglicherweise haben die Autoren der Evangelien also ihre Erzählungen von anderen Christen erhalten, die mit Maria oder anderen Familienmitgliedern von Jesus Kontakt hatten. In diesem Fall wären die Berichte mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffend, weil sie ja auf Augenzeugen zurückgehen. 

 

Nun gibt es aber auch einige Angaben innerhalb der Geburtsgeschichten, über die Historiker ein etwas sichereres Urteil fällen können. Dazu gehören die Volkszählung, die Geburt von Jesus in Betlehem, der Kindermord durch Herodes und die Beschneidung von Jesus. 

 

Einige Theologen glauben, dass Jesus eigentlich in Nazaret und nicht in Betlehem geboren wurde. Sie beziehen sich dabei auf das Markusevangelium, in dem beschrieben wird, dass Nazaret die Heimatstadt von Jesus war (Markus 6,1). Das Markusevangelium ist das älteste Evangelium und es erzählt keine Geburtsgeschichten von Jesus. Dachte Markus, der als Erstes ein Evangelium schrieb, dass Jesus eigentlich in Nazaret geboren wurde? Vermutlich nicht. Denn bei dieser Argumentation wird übersehen, dass auch Matthäus (13,57) und Lukas (4,24) beide von Nazaret als der Heimatstadt Jesu sprechen. Diese beiden Evangelien überliefernaber voneinander unabhängige Berichte über die Geburt von Jesus in Betlehem. Sie gehen also fest davon aus, dass Jesus in Betlehem geboren wurde. Trotzdem bezeichnen sie Nazaret als seine Heimatstadt, weil er dort die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Dass Nazaret als die Heimatstadt von Jesus bezeichnet wird, stellt also seine Geburt in Betlehem nicht in Frage. 

 

Manche Geschichtswissenschaftler meinen, dass der Kindermord durch Herodes wohl nicht stattgefunden hat. Denn der wichtige jüdische Geschichtsschreiber Josephus erwähnt dieses Ereignis nicht. Das ist richtig. Aber wir sollten auch nicht erwarten, dass er dieses Ereignis erwähnt. In einem kleinen Dorf wie Betlehem wird es wohl bloß eine Handvoll von Jungen unter zwei Jahren gegeben haben. Der Mord an diesen Kindern war tragisch und bösartig. Aber er hätte in der Antike wohl kaum für großartige Schlagzeilen gesorgt. Er wäre für Josephus vermutlich nicht wichtig genug gewesen, um eine Erwähnung wert zu sein. Auf der anderen Seite teilt uns Josephus einiges über Herodes (den sogenannten „Großen“) mit. Herodes war ein brutaler und paranoider Mensch: Er ließ seine eigenen beiden Söhne ermorden, weil er glaubte, dass sie Verschwörer seien. Er machte Pläne, bei seinem Tod alle führenden jüdischen Männer töten zu lassen, damit das Volk ordentlich trauerte. Und er ließ eine Gruppe von jüdischen Schriftgelehrten hinrichten, weil sie eine Prophezeiung über das Ende seiner Herrschaft kannten. Die Erzählung vom Kindermord in Betlehem passt also zu dem, was wir sonst über Herodes wissen: Er schreckte nicht vor Mord zurück, um seine Interessen durchzusetzen. Und er unterdrückte jede Art von religiöser Prophezeiung, die seine Herrschaft gefährdet hätte. Dementsprechend ist es wahrscheinlich, dass der Kindermord durch Herodes stattgefunden hat. 

 

Schließlich ist es auch wahrscheinlich, dass Jesus am achten Tag nach seiner Geburt beschnitten wurde. Die Familie von Jesus war nämlich stark traditionell jüdisch geprägt. Die Einhaltung der religiösen Vorschriften hatte für sie also aller Wahrscheinlichkeit nach eine sehr hohe Priorität. Es ist daher anzunehmen, dass Jesus – wie beinahe alle jüdischen Jungen seiner Zeit – als Baby beschnitten wurde.  

 

Fazit: Wir kennen die Geburtsgeschichte von Jesus aus den biblischen Evangelien Matthäus und Lukas. Diese Erzählungen wirken aus geschichtswissenschaftlicher Sicht glaubwürdig, insofern wir etwas darüber sagen können. 

 

 

Tim Spahn  

evangelische Landeskirche in Württemberg (https://www.elk-wue.de/)

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Geändert am: 11.02.2024
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