Wieso folgen Menschen Jesus nach?

Kurze Antwort

Alle Menschen folgen etwas und werden geprägt. Was ist so besonders an Jesus? Aus der Bibel und aus Beobachtung kennen wir drei äußere Gründe:

1. Einfluss: Einladun eines glaubwürdigen Menschen (Johannes 1,40-41)
2. Gruppe: Teilhabe an einer attraktive Gruppe (Apostelgeschichte 5,12-14)
3. Intellekt: Antworten auf existenzielle Fragen (Johannes 20,27-28)

Aber es gibt auch einen göttlichen, unwiderstehlichen Ruf zur Nachfolge, der so kraftvoll ist wie die Schöpfung (2.Korinther 4,6).

Was bedeutet folgen? 

Heutzutage folgen wir Hunderten, vielleicht Tausenden Menschen. „Influencer“ (dt. Einflussnehmer) ist zu einem echten und beliebten Job geworden. Die großen Popstars unserer Zeit haben sogar eigene Namen für ihre Nachfolger – es gibt die Swifties, die Belieber, die Arianators und viele andere eingeschworene Gruppen von Nachfolgerinnen und Nachfolgern. 

  

Fankult ist eine Form von Nachfolge 

Diese Art von Nachfolge – Fankult – ist in mancherlei Hinsicht sehr ähnlich zu dem, was die Bibel mit Nachfolge” und „Jesus nachfolgen beschreibt. Dieser Fankult ist eine Form von persönlicher Identifizierung mit dem Leben und dem Werk eines anderen Menschen; eines Menschen, den man vielleicht noch nie getroffen hat und unter Umständen nie treffen wird.

 

Genau das lesen wir in der Bibel über viele Menschen. So wird z. B. Petrus als Nachfolger von Jesus erkannt, als er sich bei der Gerichtsverhandlung über Jesus in den Vorhof des Gebäudes geschlichen hat: „Ganz bestimmt gehört er zu denen! Er kommt doch auch aus Galiläa.“ (Lukas 22,59) Schon an seinem Akzent wird Petrus als ein Mensch erkannt, der viel Zeit in der Nähe von Jesus verbracht hat. Diese Nähe und Identifikation mit Jesus wird als Nachfolge bezeichnet. 

  

Jeder Mensch folgt jemandem oder etwas nach 

Man mag diese Art von Fankult nun für etwas halten, das nur Teenager auf der Suche nach Halt für sich beanspruchen. Aber Fakt ist, dass jeder Mensch sich mit bestimmten Einflüssen so sehr identifiziert, dass die ganze Weltanschauung und auch das eigene Wesen davon geprägt werden. Es beginnt in der Entwicklung des Menschen meist mit den Eltern oder der ersten Bezugsperson, aber entwickelt sich von da aus unvorhersehbar weiter. Nur eines ist sicher: Es gibt keinen Menschen, der sich sozusagen im Vakuum entwickelt, vollkommen losgelöst von allen Einflüssen. Kein Mensch ist eine Insel und das Netzwerk von Beziehungen und Einflüssen um uns herum hat immer eine große Bedeutung für unsere Entwicklung. 

  

Drei Hauptmerkmale, wieso Menschen beginnen, Jesus nachzufolgen 

Können sich Menschen also überhaupt bewusst entscheiden, ob sie jemandem oder etwas „nachfolgen“ wollen? Die Antwort auf diese Frage enthält drei Hauptmerkmale, die einen Menschen dazu bringen, sich jemandem oder etwas anzuschließen. Sie liegen auch einer Bekehrung, also einem Umdenken und einer völligen Neuausrichtung, zugrunde. Diese Bekehrungbildet oftmals den Startpunkt der Nachfolge.  

 

Wir können diese Hauptmerkmale gerne „äußere Einflüsse“ nennen, weil sie alle drei von außen auf einen Menschen zukommen und nicht im Inneren, quasi losgelöst von der Umgebung, entstehen. Diese drei Hauptmerkmale finden sich alle auch in den biblischen Berichten darüber, wie Menschen zu Jesus gefunden haben:

 

1. Autoritäten/Leiterinnen und Leiter: 

Zum einen braucht es einen unmittelbaren Aufruf zu Nachfolge oder zur Bekehrung durch eine Autoritätsperson. Was diese Autorität ausmacht, ist schwer zu definieren und wird u.a. von verschiedenen Generationen unterschiedlich gesehen. Für einen Teenager, der viel Zeit mit den Sozialen Medien verbringt, wird also eine Influencerin mit großer Reichweite eine unmittelbare Autorität haben, ein Priester mit Soutane oder Arzt mit Kittel aber weniger. Bei seiner Großmutter mag es genau andersherum sein. 

 

Wir finden dieses Merkmal zum Beispiel am Beginn der Nachfolge der beiden Jünger Andreas und Simon Petrus. In Johannes 1,40 lesen wir: „Andreas war einer der beiden Jünger, die Johannes gehört hatten und Jesus gefolgt waren. Er war der Bruder von Simon Petrus.“  

 

Vorher wird uns berichtet, dass Johannes mit zweien seiner eigenen Nachfolger unterwegs war und sie anwies, lieber Jesus nachzufolgen als ihm. Diesem „Ruf“ folgte Andreas offensichtlich sofort: Johannes der Täufer war offensichtlich eine Autorität, die er in diesen Fragen anerkannte. Für Petrus galt entsprechend das gleiche, aber wohl eher in Bezug auf seinen Bruder Andreas. Denn weiter heißtes in Johannes 1,41-42: „Andreas traf zuerst seinen Bruder Simon, und sagte zu ihm: ‚Wir haben den Messias gefunden‘, das heißt übersetzt ‚der Christus.‘ Er brachte Simon zu Jesus.“ 

 

Das ist die erste Antwort, wieso Menschen Jesus nachfolgen: weil eine Person, die in ihrem Leben Autorität hat, sie dazu eingeladen hat.

 

2. Attraktive Gruppe 

Der zweite Grund ist ebenso wichtig. Ein Mensch sucht immer eine soziale Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die er oder sie attraktiv findet. Diese Attraktion kann sehr unterschiedliche Auslöser haben – es kann um die Werte der Gruppe gehen, den Umgang miteinander, die körperliche Schönheit der Zugehörigen und viele andere Gründe. Wichtig ist nur: Ein Mensch entscheidet aus dem Bauch heraus, ob er eine Gruppe attraktiv findet und zu ihr gehören möchte. Wenn diese Gruppe nun einen geistlichen oder religiösen Kern hat, wird ein angezogener Mensch es leichter haben, den religiösen Kern auch für sich selbst zu akzeptieren – gerade um bei der Gruppe dazuzugehören.  

 

Wir finden solche Beispiele immer wieder in der Bibel – sowohl als positive Beispiele, wie Menschen in die Jesus-Nachfolge gezogen wurden, als auch als negative Beispiele, wie Menschen davon wieder entfremdet wurden. Zwei Beispiele sollen hierbei genügen. Als negatives Beispiel kann das Verhalten von Simon Petrus dienen, das Paulus in seinem Brief an die Galater beschreibt. Dort heißt es: „Zunächst hatte er [Petrus] nämlich zusammen mit Menschen aus den Völkern gegessen. Aber dann kamen einige Leute aus dem Kreis um Jakobus. Da zog er sich zurück und hielt sich von ihnen fern. Denn er hatte Angst vor den Leuten jüdischer Herkunft.“ (Galater 2,12 

 

Für Paulus geht es in dieser Begegnung um etwas Zentrales im christlichen Glauben. Petrus hatte durch Berichte gehört und es sogar durch Gottes direktes Reden selbst erfahren: Menschen aller Völker und Herkunft hatten in Gottes neuer Welt Platz. In diesem Fall aber hatte die Attraktivität der „Leute jüdischer Herkunft“ – gemeint sind Menschen, die sich auch nach ihrer Bekehrung noch sehr streng an die jüdischen Speisegebote aus dem Alten Testament hielten und dadurch versuchten, ihr Ansehen in Gottes Augen zu verbessern – eine gewichtigere Bedeutung für Petrus als seine vorher gewonnene Überzeugung: Er ließ von der richtigen Haltung ab (Tischgemeinschaft und freundschaftliche Beziehung mit jedem Menschen ungeachtet seiner Herkunft zu haben) und versuchte, sich durch seine Abgrenzung zu profilieren. 

 

Als positives Beispiel für den Einfluss der Attraktivität der Gruppe kann man das Wachstum der christlichen Gemeinde in Jerusalem gleich zu ihrem Start nennen. Da heißt es in Apostelgeschichte 5,13-14: „Aber das Volk schätzte sie sehr. Die Gemeinde gewann immer mehr Menschen hinzu, die an den Herrn glaubten – eine große Zahl von Männern undFrauen.“ Hier sehen wir sehr direkt, wie die Attraktivität der Gruppe („schätzte sie sehr“) zur direkten Nachfolge anleitet („die an den Herrn glaubten“). 

 

Das also ist die zweite Antwort, wieso Menschen beginnen, Jesus zu folgen: Die Gemeinde ist so attraktiv, dass sie unbedingt dazu gehören wollen.

 

3. Intellektuelle Überzeugung 

Als drittes Hauptmerkmal muss noch die intellektuelle Überzeugung genannt werden. Menschen entscheiden sich für gewöhnlich nicht gegen ihren Verstand, Jesus nachzufolgen. Wo es intellektuelle Zweifel am Wahrheitsgehalt der Botschaft von Jesus gibt, kann ein Mensch sein Leben auch nicht daranausrichten. Deshalb gibt es in der Theologie den sogenannten Bereich der „Apologetik“, die verstandesgemäße Verteidigung des Glaubens.  

 

Gleichzeitig ist die Nachfolge auch keine Verstandesentscheidung. Es bleibt – egal, wie viel „Apologetik“ man konsumiert – immer ein Rest der Unerklärbarkeit, ja sogar der Narretei. Paulus beschreibt in einem seiner Briefe, dass Gottes Weisheit weit über allem steht, was diese Welt als Weisheit bezeichnen kann. Und daraus schlussfolgert er: „Deshalb hat Gott beschlossen, durch eine scheinbar unsinnige Botschaft alle Glaubenden zu retten.“ (1.Korinther 1,21) Trotzdem ist es uns Menschen unmöglich, eine Kehrtwende im Leben zu vollführen und Jesus nachzufolgen, wenn wir diese Botschaft für vollkommenen Wahnsinn halten. Wir müssen auch intellektuell überzeugt werden. 

 

Dieses Merkmal lässt sich ausgezeichnet an der Figur des Jüngers Thomas beschreiben, der auch als „der Zweifler“ bekannt ist. Weil er bei den ersten Begegnungen der Jesus-Nachfolger mit dem vom Tod auferstandenen Jesus nicht anwesend war, konnte er der Botschaft nicht glauben. Intellektuelle Zweifel hielten ihn davon ab. Unterm Strich gesagt: Menschen stehen nun einmal nicht von den Toten auf, wieso sollte das bei Jesus von Nazaret anders sein?  

 

Im Johannesevangelium heißt es dann: „Die anderen Jünger berichteten ihm [Thomas]: ‚Wir haben den Herrn gesehen!‘ Er entgegnete ihnen: ‚Erst will ich selbst die Wunden von den Nägeln an seinen Händen sehen. Mit meinen Fingern will ich sie fühlen. Und ich will meine Hand in die Wunde an seiner Seite legen. Sonst kann ich das nicht glauben.“ (Johannes 20,25) Für viele Menschen unserer Zeit ist das auch weiterhin der wichtigste intellektuelle Hinderungsgrund, Jesus nachzufolgen. Sie sagen: Ich glaube nur das, was ich sehen kann.  

 

Die Kehrtwende zur Nachfolge bei Thomas kommt dann in der Begegnung mit Jesus und in der Erfüllung seiner intellektuellen Forderungen: „Dann sagte er [Jesus] zu Thomas: ‚Leg deinen Finger hierher und sieh meine Hände an. Streck deine Hand aus und leg sie in die Wunde an meiner Seite. Sei nicht länger ungläubig, sondern komm zum Glauben.‘ Thomas antwortete: ‚Mein Herr und mein Gott!‘“ (Johannes 20,27-28). Wichtig ist aber auch – vor allem für den letzten Schritt der Überlegungen in dieser Antwort – was Jesus dann im Anschluss noch sagte: „Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Glückselig sind die, die mich nicht sehen und trotzdem glauben!“ (Johannes 20,29) 

 

Das also ist die dritte Antwort, wieso Menschen beginnen, Jesus zu folgen: weil sie auch intellektuell von der Wahrheit seinerBotschaft überzeugt werden. Ein Rest der Unglaublichkeit bleibt aber auch nach diesen drei Merkmalen bestehen. 

  

Ein Ruf von Gott selbst 

In der Bibel und auch den Zeugnissen unzähliger Menschen gibt es noch einen weiteren Grund, der dazu führt, dass jemand beginnt, Jesus nachzufolgen: der Ruf durch Gott selbst. Wir können diesen Punkt „inneres Merkmal“ nennen, in Abgrenzung zu den Merkmalen von außen im ersten Teil der Antwort. In der Bibel ist dieser Grund von entscheidender Bedeutung – denn er geschieht eigentlich immer, wo wir von einer Kehrtwende im Leben eines Menschen lesen. 

 

Zum einen haben wir dafür die Berichte in den Erzähltexten des Neuen Testamentes selbst. Die Nachweise dazu sind vielfach: von den ersten Jüngern (vgl. Matthäus 4,18-20 u.a.) bis hin zu dem Apostel Paulus (Apostelgeschichte 9,3-6 u.a.): Immer finden wir einen Ruf, der von Gott selbst ausgesprochen wirdund den entscheidenden Ausschlag gibt für die Nachfolge. Immer wieder sehen wir auch, dass die Angesprochenen erst Widerstand leisten oder der Ruf ihnen schwerfällt. 

 

Man könnte diese Rufe zumindest zum Teil auch in die Kategorie „Autoritäten“ aus dem ersten Teil der Antwort einordnen – wenn Jesus selbst ruft, dann ergeht der Ruf eben von der höchsten Autoritätsperson, die wir uns vorstellen können. 

 
Aber dann gibt auch eine zweite Art von Berichten dieses Ereignisses: die theologisch gedeuteten Nacherzählungen dieses Ereignisses. Mit der Entwicklung des Christentums zu einer geordneten Gruppe mit festen Grenzen nahm auch die theologische Reflexion zu, mit der man auf die eigenen geistlichen Schlüsselerlebnisse zurückgesehen hat. Paulus deutet für uns den Moment, in dem die Nachfolge beginnt: „Gott hat einst gesagt: ‚Aus der Dunkelheit soll ein Licht aufleuchten!‘ Genauso hat er es in unseren Herzen hell werden lassen. Durch uns sollte das Licht der Erkenntnis aufleuchten: Die Herrlichkeit Gottes sollte sichtbar werden, die uns in Jesus Christus begegnet.“ (2. Korinther 4,6) 

 

Bemerkenswert ist die Bilderwelt, der sich Paulus an dieser Stelle bedient. Er greift zurück auf den Moment der Schöpfung, als durch das Wort Gottes alles ins Dasein gerufen wurde. Das ist schon deswegen bedeutsam, weil das Licht keine wirkliche Kraft hatte, sich dagegen zu entscheiden, zu leuchten, als Gott es zu Anfang gerufen hat. Was Gott spricht, geschieht. Sein Wort ist nicht nur Wahrheit, es ist Kraft und wirkmächtig – es kommt immer an sein Ziel und schafft sich die Realitäten, die es für dieses Ziel braucht. 

 

Wenn Gott also mit dieser Wirkmacht ruft, wie kann meine kleine Seele dann nicht folgen? 

 

Mit diesem Satz soll keine Aussage über das diffizile Themenfeld der Vorherbestimmung und des freien Willens getroffen werden, über das die christliche Theologie seit Jahrhunderten uneins ist. Es meint nur eine Beschreibung einer geistlichen Realität, die in der Bibeldeutlich beschrieben wird: Der ultimative und endgültige Ruf in die Nachfolge ergeht von Gott. Und zwar in der Macht, die die ganze Welt und alles, was ist, ins Dasein gerufen hat (vgl. 1. Mose 1,3). Er ergeht in der Macht, die Lazarus von den Toten auferweckt hat (vgl. Johannes 11,41-43). Er ergeht in der Kraft und dem Durchsetzungsvermögen, das in den Sturm hineinruft: „Werde ruhig! Sei still!“, und unmittelbare Ergebnisse zeitigt (vgl. Markus 4,39). 

 

Wieso also folgen Menschen Jesus nach? Sicher tragen Autoritätspersonen, attraktive Gruppen und intellektuelle Antworten entscheidend dazu bei, dass Menschen bereit werden, dem Ruf in die Nachfolge zu folgen. Aber letztendlich ruft Gott dich. Und das tut er noch heute. Er sagt: „Kommt, folge mir nach. Ich biete Leben, und zwar Leben in Fülle. (Johannes 10,10) 

 

 

Marcus-Benjamin Hübner

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Geändert am: 29.11.2024

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