Warum wurde Jesus Christus verraten?

Kurze Antwort

Die Bibel nennt drei zusammenhängende Gründe, warum Judas Jesus verraten hat. 

  • Grund 1 (Matthäus 26,15): Gegner von Jesus, Priester aus Jerusalem, haben Judas mit Geld bestochen, damit er Jesus verriet.   
  • Grund 2 (Johannes 13,27): Der Teufel hat Judas beeinflusst und ihn dazu gebracht, Jesus zu verraten. 
  • Grund 3 (Markus 14,21): Gott hat diesen Verrat eingeplant. Er wollte, dass Jesus auf diese Weise seinen Auftrag erfüllte, am Kreuz zu sterben und wieder aufzuerstehen.

Der Verrat 

Judas Iskariot, einer der engsten Freunde von Jesus, verriet ihn an eine Gruppe von Priestern in Jerusalem. Diese Gruppe hatte bereits zuvor beschlossen, Jesus zu töten (Markus 3,6). Aus ihrer Sicht traf er gotteslästerliche Aussagen und brachte ihre Machtstellung in Gefahr 

 

Judas ging zu dieser Gruppe von Priestern und erbat Bezahlung für Informationen zum Aufenthaltsort von Jesus (Matthäus 26,14-15). Gegen ein Bestechungsgeld führte Judas die Priester und ihre Diener zu Jesus und identifizierte diesen durch einen Kuss (Matthäus 26,48-49), eine liebevolle Geste. Es war im Judentum der Antike gängige Praxis, dass ein Schüler seinen Lehrer mit einem ehrerbietigen Kuss begrüßte. Durch diese Geste erkannten die Priester und deren Helfer, wen sie festnehmen sollten. Jesus wurde daraufhin verhaftet (Markus 14,46) und angeklagt (Markus 14,55-56).  

 

Nach dem Verrat wurde deutlich, was für eine tragische Figur Judas eigentlich war. Er bereute den begangenen Verrat zutiefst und beging schließlich Suizid (Matthäus 27,3-8).  

  

Die Gründe für den Verrat 

Die Bibel nennt mindestens drei Gründe für diesen Verrat. 

 

Zum einen berichtet die Bibel von einem Bestechungsgeld, das die Priester in Jerusalem an Judas bezahlten. Die Höhe des Bestechungsgeldes betrug 30 Silberstücke (Matthäus 26,15). Judas wird ohnehin als eine Figur dargestellt, die sich auf persönlichen finanziellen Gewinn konzentrierte: Es wird berichtet, dass er aus der Almosenkasse Geld stahl (Johannes 12,6). Aus rein psychologischer, menschlicher Sicht betrachtet mag Judas Jesus also aus Geldgier verraten haben.

  

Die Bibel gibt aber auch noch eine geistliche Deutung des Verrats. So spricht sie davon, dass der Teufel (auch Satan genannt) Judas zu diesem Verrat verleitete (Lukas 22,3; Johannes 13,2.27). Als Jesus seine Jünger zu einer letzten Mahlzeit versammelt hatte, identifizierte er Judas als den Verräter: Er tat dies, indem er ihm einen Bissen des Essens reichte (Johannes 13,26). Als Judas diesen Bissen von Jesus annahm, geriet er unter den Einfluss des Teufels (Johannes 13,2.27). Diese letzte Geste der Liebe wird zum Scheidepunkt. Judas verließ die Jüngergruppe von Jesus und war jetzt dem Teufel ausgeliefert. Das ist jedoch nicht klar vom vorherigen Grund zu trennen: Der Teufel nutzte die Geldgier von Judas, um ihn dazu zu bringen, Jesus zu verraten.  

 

Schließlich lässt die Bibel noch eine dritte Begründung für den Verrat an Jesus erkennen. Judas verriet Jesus, weil das Gottes Plan zur Rettung der Menschheit entsprach. Theologen nennen diesen Plan Heilsgeschichte. Sichtbar wird dies zum Beispiel in Johannes 13,18: „Aber das Wort aus der Heiligen Schrift muss in Erfüllung gehen: ‚Einer, der mein Brot isst, tritt mich mit Füßen.‘“ Jesus zitierte hier ein altes jüdisches Gebet, Psalm 41,9. Und er bezog es auf Judas. Jesus behauptete hier, dass Gott bereits viele Jahrhunderte zuvor eine Andeutung durch den Beter dieses Psalms aufschreiben ließ. Gott wusste also schon immer, dass Judas Jesus verraten würde. Und trotzdem ließ er zu, dass der Verrat geschah. Jesus ließ sich verraten im vollen Wissen darum, wer ihn verriet. Aber Jesus ging in seiner Deutung noch weiter. In Markus 14,21 sagte er: „Der Menschensohn muss sterben. So ist es in der Heiligen Schrift angekündigt. Aber wehe dem Menschen, der den Menschensohn verrät. Er wäre besser nie geboren worden!“  

 

Judas war offensichtlich ein wichtiger Teil der Heilsgeschichte: Jesus, der Menschensohn, musste sterben. Sein Tod war unausweichlich. Und Judas Verrat bewirkte, dass Jesus starb. Aber daraus folgt trotzdem nicht, dass Judas ferngesteuert und somit nicht mehr für seine Taten verantwortlich gewesen wäre. Vielmehr beging er den Verrat willentlich und war somit schuldfähig. Gott nutzte den Verrat zwar, um etwas Gutes zu schaffen. Aber der Verrat an sich war deswegen trotzdem noch keine gute Tat. Auch die Autoren der Evangelien sahen Judas als einen negativen Charakter. Das kann man schon daran sehen, dass sein Name in allen Listen der Jünger von Jesus als letztes genannt wird.  

 

Man sollte diese drei genannten Gründe nicht gegeneinander ausspielen. Sie gehören vielmehr zusammen. Der Teufel nutzte die Geldgier Judas, um ihn dazu zu bringen, Jesus zu verraten. Gott nutzte diesen teuflischen Plan, um daraus etwas Gutes entstehen zu lassen. Er hielt den Teufel nicht auf, ließ ihn machen. Das führte am Ende zur Niederlage des Teufels. Als Jesus am Kreuz über Sünde siegte, siegte er auch über den Teufel (Hebräer 2,14-15). 

  

Die historische Verlässlichkeit des Verrats 

Hat Judas diesen Verrat tatsächlich so begangen, wie die Bibel ihn schildert?  

 

2006 wurde eine Handschrift des sogenannten Judasevangeliums veröffentlicht. Diese nicht biblische Schrift wurde vermutlich in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts nach Christus geschrieben. Oft behaupten Kritiker der biblischen Überlieferung, dass darin ein anderer Judas gezeichnet werden würde als in der Bibel. Der Judas des Judasevangelium sei positiv dargestellt und würde Jesus helfen, ihn nicht verraten. Diese Interpretation verwerfen heute die meisten Forscher. In jedem Fall entstand das Judasevangelium ca. 100 Jahre nach dem biblischen Markusevangelium. Es ist nicht wahrscheinlich, dass darin historische Berichte einflossen, die die Autoren der Evangelien nicht kannten. Das entspricht auch nicht dem, was das Judasevangelium erreichen wollte. Judas dient dort mehr als Sprachrohr für eine bestimmte, der Bibel entgegenstehende Theologie. 

 

Heute hält nur eine Minderheit der Forscher den Verrat von Jesus für nicht historisch. Das liegt vor allem daran, dass das sogenannte Kriterium der Peinlichkeit hier angewendet werden kann. Es besagt, dass ein historischer Bericht dann als zutreffend angesehen werden kann, wenn der Inhalt für den Autor des Berichtes peinlich war. Warum hätte ein Autor schließlich einen peinlichen Bericht erfinden sollen? 

 

Für Jesus und seine Nachfolger war es peinlich, dass der Verräter ausgerechnet aus dem engsten Kreis der Vertrauten von Jesus kam. Illoyalität der eigenen Schüler galt als eine Schande für den Lehrer. Der Verrat an Jesus wurde aber – trotz der damit verbunden Schande – nicht verschwiegen. Das spricht dafür, dass der Verrat tatsächlich stattgefunden hat.

 

 

Tim Spahn 

evangelische Landeskirche in Württemberg  

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Geändert am: 14.02.2024
Lehre und Theologie

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