Warum heilte Jesus am Sabbath und streitet mit den Gelehrten?

Kurze Antwort

Für Jesus sollte der Sabbat den Menschen dienen, nicht umgekehrt. Daher heilte er die Kranken auch am Sabbat. Doch die Gelehrten sahen es genau umgekehrt. Sie wachten akribisch über der Einhaltung des Sabbattages – das Gesetz war in ihren Augen wichtiger als die Menschen. Jesus stritt mit ihnen, weil sie über ihrer Gesetzlichkeit die Liebe zu den Menschen und die Barmherzigkeit vergaßen (Lukas 11,42).

Was verstand Jesus als Jude unter Sabbat und Sabbatruhe? 

Für Jesus war der Sabbat wie für jeden Juden ein heiliger Feiertag, der in besonderer Weise der Ruhe vor Gott und dem Ausruhen von der Arbeitswoche gewidmet war. Die Sabbatruhe ist im dritten Gebot der Zehn Gebote festgelegt, die Gott Mose für sein Volk Israel gegeben hatte (2. Mose 20,8-9). Der hebräische Begriff shabbatbedeutet als Substantiv Pause oder Rast und als Verb aufhören (zu arbeiten) und somit ruhen oder zur Ruhe kommen. 

Den siebten Tag der Woche als heiligen Tag der Ruhe vor Gott einzuhalten, ist für die Juden also ein Gebot. Dieses wird damit begründet, dass Gott selbst diesen Tag gesegnet und geheiligt hat. Das bedeutet, er hat ihn gutgeheißen und einem bestimmten Zweck geweiht. Schon im Schöpfungsbericht steht sinngemäß: Weil Gott am siebten Tag der Woche von seinen Werken ruhte, sollen auch die Menschen am siebten Tag von ihren Werken an den übrigen Arbeitstagen der Woche ruhen (1. Mose 2,2-3; 2. Mose 20,8-11). Das heißt nun nicht, dass Gott nach seiner anstrengenden Schöpfungsarbeit ruhebedürftig war. Vielmehr war er mit der Schöpfung ans Ziel gekommen und es gab nichts mehr hinzuzufügen. Ebenso dürfen und sollen die Menschen im vollbrachten Werk Gottes zur Ruhe kommen im Bewusstsein, dass sie dem nichts hinzufügen müssen und können. Diesem Zweckwar der Sabbat gewidmet: der Vollendung der Schöpfung vor Gott zu gedenken. 

Ein weiterer Grund für die Sabbatruhe war die Befreiung des Volkes Israel aus der Knechtschaft in Ägypten: Weil Gott sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreit und erlöst hatte, sollten sie den Sabbat als Ruhetag heilig halten (5. Mose 5,12-15). Deshalb erinnerte Mose am Ende seines Lebens die Israeliten an die Zehn Gebote Gottes und damit auch an das Einhalten des Sabbattages. Und zwar in jeder einzelnen Familie einschließlich ihrer Arbeitskräfte, selbst der Tiere. Darüber hinaus gab es auch ein Sabbatjahr: Jedes siebte Jahr sollte sich sogar der Boden erholen dürfen und brachliegen (2. Mose 23,10-12). Später erinnerten die Propheten, wie zum Beispiel Jesaja, das Volk daran, die Sabbatruhe einzuhalten und an diesem Tag ihrer Befreiung aus dem babylonischen Exil zu gedenken (Jesaja 56,2.4.6; Jesaja 58,13). Seit der Zeit nach dem Exil nahmen die aufkommenden Schriftgelehrten das Sabbatgebot besonders genau; so wurde die Sabbatheiligung zu einem wesentlichen Element jüdischer Identität. 

Die Judenund somit auch Jesusfeierten also am Sabbat das vollendete Schöpfungs- und Erlösungswerk Gottes. Sabbatfeiern kann man sich als Feste mit Familie und Freunden vorstellen, sowohl zu Hause wie auch in der Synagoge mit Gottesdienst und Lesungen aus der Heiligen Schrift.  

Darum haben die Juden seit jeher an jenem Tag ihre Aktivitäten sehr eingeschränkt. Zum Beispiel gingen sie zu Zeiten von Jesus am Sabbat nur eine bestimmte Wegstrecke, den sogenannten Sabbatweg (Apostelgeschichte 1,12). Als gläubiger Jude hielt Jesus genauso wie alle anderen diesen Ruhetag ein. Aber ihm war wichtig, dass der Sabbat dem Menschen dient und nicht umgekehrt. Darum kümmerte er sich auch am Sabbat um die Kranken. 

 

Wie praktizierten die Gelehrten die Gebote Gottes und besonders das Sabbatgebot? 

Die Schriftgelehrten und Pharisäer waren die gelehrten Theologen und religiös-politischen Philosophen der damaligen Zeit; die Pharisäer stellten zu Zeiten von Jesus die stärkste religiöse Partei im Judentum dar. Das Wort Pharisäer bedeutet übersetzt Abgesonderter, und diese Gelehrten verstanden sich als abgesondert für Gott, nämlich als gottgeweihte Leute. Dabei waren sie in der Praxis päpstlicher als der Papst, wie man heute sagen würde: Sie verschärften die Gebote Gottes noch besonders, nur um sie ja nicht zu übertreten. Darüber wurden diese Gelehrten gesetzlich und gingen an den Ansprüchen und an der Liebe Gottes vorbei (Lukas 11,42; Matthäus 9,13). Anstatt Gott durch die Einhaltung seiner Gebote zu ehren, stellten sie ihre eigene Frömmigkeit zur Schau. Gerade beim Sabbatgebot trat klar zutage, dass sie durch ihre Gesetzlichkeit die Menschen in eine Knechtschaft führten. Doch das stand dem Zweck der Sabbatruhe entgegen, die Schöpfung und Erlösung durch Gott zu feiern. 

 

Warum heilte Jesus die Kranken am Sabbat? 

Die Evangelien berichten an verschiedenen Stellen, dass Jesus Kranke auch am Sabbat heilte, was seinen Gegnern nicht gefiel (Markus 3,1-6; Lukas 6,6-11). Besonders das Lukasevangelium zeugt an verschiedenen Stellen davon (Lukas 6,1-10; Lukas 13,10-17; Lukas 14,1-6). 

Jesus argumentierte mit der Heiligen Schrift und bewies, dass diese sogar gebietet, an einem Sabbat Mensch und Tier in Not zu helfen (Lukas 13,15-16; Lukas 14,5). Deshalb befreite er auch am Sabbat Menschen von ihren Krankheitsnöten. 

Einmal argumentierte Jesus mit dem Hinweis auf seinen Vorfahren David, der zusammen mit seinen hungrigen Männern an einem Sabbat die heiligen Schaubrote aß, die doch nur für die Priester bestimmt waren. Genauso, so lehrte Jesus, ist auch der Sabbat für den Menschen da und nicht umgekehrt (Lukas 6,5; Markus 2,23-27). Jesus betonte immer wieder seine Autorität als Menschensohn und damit als Herr über den Sabbat(Matthäus 12,8). Dies war den Gelehrten ein Dorn im Auge. 

 

Worin lag die Kontroverse zwischen Jesus und den Gelehrten bezüglich des Sabbatgebotes begründet? 

Die sprichwörtliche pharisäerhafte, also heuchlerische Gesetzlichkeit der Gelehrten, hatte zu mangelnder Barmherzigkeit und Lieblosigkeit geführt. Jesus, der als Zimmermannssohn aus Nazareth bekannt war, konfrontierte die Pharisäer und Schriftgelehrten mit ihrer falschen Haltung und ihrem verkehrten Verhalten und stritt mit ihnen. Dies mussten die Gelehrten als persönliche Beleidigung aufgefasst haben und deshalb wollten sie Jesus beseitigen. Letztlich ging es ihnen gar nicht um den Sabbat, sondern um die Person von Jesus. Sie wollten Jesus eine Übertretung der Gebote Gottes und insbesondere des Sabbatgebotes nachweisen (Lukas 6,7; Lukas 11,53). In ihren Augen stellte die Heilung von Kranken am Sabbat eine solche Übertretung dar.

Die Diskrepanz zwischen Jesus und den Gelehrten lag also in deren mangelnder Barmherzigkeit begründet. Die Pharisäer und Schriftgelehrten knechteten die Menschen durch ihre Gesetzlichkeit. Jesus aber lehrte und praktizierte durch Krankenheilung auch am Sabbat, dass bei Gott vor allem die Menschen zählen. Er stritt mit den Gelehrten, weil diese über ihrer Gesetzlichkeit die Liebe zu den Menschen verloren hatten und damit nicht mehr im Sinne Gottes lehrten und handelten.

 

Gabriele G. Braun (PhD theol.) 
frei wissenschaftliche Mitarbeiterin von Northwest-University, RSA, sowie Prädikantin in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern

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Geändert am: 03.02.2024

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