Mose erhielt von Gott die 10 Gebote, nachdem das Volk Israel aus Ägypten ausgezogen war. In dieser Situation der neugewonnenen Freiheit war eine allgemeine Gesetzgebung dringend erforderlich. Die 10 Gebote lehren Ehrfurcht vor dem Schöpfer und Rücksicht auf den Nächsten. Israel wurde durch sie zum Licht für die Völker. Bis heute können die 10 Gebote uns helfen, das Doppelgebot der Liebe von Jesus besser zu verstehen und konkreter im Alltag umzusetzen (vgl. Matthäus 22,37-40).
Mose und die 10 Gebote
Ja, warum gibt es die zehn Gebote? Kurze Antwort: Weil Gott sie dem Mose auf dem Sinai übermittelt hat. So einfach kann es sein – oder doch nicht?
Findige Leser werden einräumen, dass Mose ein in einer Hochkultur der damaligen Zeit bestens ausgebildeter Gelehrter und Staatsmann war (2. Mose 11,3), der 40 Tage Zeit gehabt hatte, um gerade einmal zehn wichtige Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens eines ehemaligen und ungebildeten Sklavenvolkes zusammenzustellen.
Fakt ist, dass Mose laut den biblischen Berichten zum einen ein weiser Führer mit Charisma und ausgeprägter Autorität und zum anderen ein herausragender Prophet Gottes war, der sein Volk liebte und um dessen Wohl sehr bemüht war. Ebenso unumstritten ist die Tatsache, dass der Dekalog (so werden die 10 Gebote fachsprachlich oft genannt) eine unfassbar geniale Zusammenfassung von Regeln für ein gottesfürchtiges Volk ist und im formalen Aufbau enorm stimmig erscheint.
Ganz nebenbei: Es gibt noch ca. 613 weitere Gebote und Verbote in den ersten fünf Büchern der Bibel, die vorwiegend Gottes- und Opferdienste und das Leben mit Gott, aber auch untereinander regeln. Sie wurden unzählige Male vor dem versammelten Volk wiederholt und in den biblischen Büchern festgehalten. Auch Josua griff beim Einzug in das Verheißene Land darauf zurück, um das Volk an ihre Bedeutsamkeit zu erinnern (Josua 24,25).
Der Auszug aus Ägypten und die 10 Gebote
Beim Auszug aus Ägypten waren die Israeliten schließlich eine aus über einer Million Menschen bestehende Gemeinschaft. Sie brauchten dringend Anweisungen, um nicht im Chaos zu versinken und in der Zerschlagung zu enden. Immerhin hatten sie über 400 Jahre nur gehorchen müssen; ungebildet, geknechtet, unfrei und Gesetzen eines fremden Volkes unterworfen. Sie mussten in ihrer Zügellosigkeit eingeschränkt und zu einem gesitteten Umgang erzogen werden, sich aber auch und gerade durch einen geschützten Rahmen entfalten und ein geregeltes Leben in Frieden finden können.
Denn durch den Auszug aus Ägypten waren sie nun plötzlich und ohne Einschränkungen frei. Doch diese Freiheit brachte auch ungeahnte und schwerwiegende Folgen für ein Volk im Niemandsland Wüste mit sich. Also musste ein Gesetzeskodex her. Und zwar möglichst schnell. In dieser Gemengelage hat der Gott des Volkes Israel Mose mit seinem herausragenden Intellekt die 10 Gebote gegeben (2. Mose 20,1-17; 5. Mose 5,6-21). So sollten einem heimatlos umherziehenden und eigensinnigen Volk Ehrfurcht vor seinem Herrn und Schöpfer, Anstand, Achtung vor dem Nachbarn und dem Fremden und ganz allgemein religiöse, wirtschaftliche und soziale Prinzipien und Werte nahegebracht werden. Damit wurde nicht nur der soziale Friede im Volk gesichert, sondern es konnte vornehmlich eine herausragende Andersartigkeit bei seinen Nachbarvölkern darstellen (2. Mose 19,5-6).
Das Zeugnis der 10 Gebote im alten Vorderen Orient
Gott „benutzte“ somit sein Volk, um den Nachbarvölkern zu zeigen, wie weise und überragend er ist, anders als deren tote Götzen und Standbilder mit teilweise abartigen Ritualen (5. Mose 4,6). Das Volk Israel war, trivial ausgedrückt, Gottes „Aushängeschild“ in der Weltgemeinschaft. Das war die eigentliche Absicht Gottes mit Mose und seinem Volk im Land Kanaan und darüber hinaus (Esther 3,8). Er wollte zeigen, dass die Befolgung seiner Anordnungen die beste, erfolgreichste und glücklichste Art zu leben ist und einen spirituellen und sinnvollen Tages-, Jahres- und Lebensablauf in der Beziehung zu einem lebendigen Gott hervorbringt. Fröhlich zu feiern, aber auch gerne zu opfern und zu teilen waren darin z. B. fest verankert.
Götzendienst, Maßlosigkeit, Übervorteilung, Ausbeutung, Belügen und Betrügen, Neid, Geiz und allgemeine Gesetzlosigkeit sollten im Volk Gottes keinen Platz haben. Vielmehr sollten lebendige Spiritualität in der Gottesbeziehung, Beachtung göttlicher Prinzipien, seelische und körperliche Gesundheit (Einhaltung des Ruhetags und der Jubeljahre, Beschneidung, Speisevorschriften etc.), Achtung vor dem Alter sowie geregelte und als richtig nachvollziehbare Beziehungen zu sich selbst und den Mitmenschen im gesellschaftlichen Leben im Vordergrund stehen (2. Mose 18,20). Diese Anordnungen sind die Grundordnungen für ein gelingendes und ganzheitliches gutes Leben (1. Könige 2,3).
Gottes Volk bekam klare und sinnstiftende Handlungsanweisungen, persönlichkeits- und gesellschaftsbildende Normen und Werte an die Hand, damit es herausragendsein und bleiben konnte (5. Mose 5,32). Die Gebote Gottes waren so vollkommen, dass sie für immer und ewig Bestand haben konnten und sollten. Sie waren kein Intermezzo für die Durchquerung der Wüste, sondern in Stein gemeißelte Normen für das Leben im gelobten Land. Sie mussten den nachfolgenden Generationen eingeschärft werden, damit im Laufe der Zeit keine andere Doktrin Einzug im Denken und Handeln der Kinder Israels halten konnte (5. Mose 6,6-7).
Die Heiligkeit der Gebote wurde mit der besonderen Aufbewahrung in der Bundeslade deutlich und sichtbar gemacht. Die Bundeslade war keine Schublade, in der die Gesetzestafeln verschwanden, sondern ein bedeutungsschwerer „Schaukasten“, der Ehrfurcht erzeugte (2. Mose 25,21-22). Sie wurde bei der Überquerung des Jordans beim Einzug in das gelobte Land in den Mittelpunkt gestellt. Sie war ein Symbol für den Gottesbund und die Errichtung und Erhaltung der Theokratie in Kanaan (Josua 4,9).
Die bleibende Bedeutung der 10 Gebote
Gott hat den 10 Geboten aber auch heute noch eine wichtige Aufgabe zugeteilt. Wir müssen die einzelnen Gebote nicht mehr wörtlich halten (Römer 10,4). Sie sind aber auch nicht mit dem Verlust der Bundeslade und dem Errichten des neuen Bundes durch Jesus ad acta gelegt. Sie können uns helfen, das Doppelgebot der Liebe in der Nachfolge von Jesus besser zu verstehen und konkreter im Alltag umzusetzen (Johannes 14,15; Johannes 15,10). Das Halten von Gottes Geboten ist das Erkennungszeichen für einen Christen (1. Johannes 2,4). Sie machen den Willen Gottes auch nach Tausenden von Jahren eindeutig deutlich und zeigen ihre große Bedeutung für den Gläubigen auf. Jesus selbst wiederholt sie häufiger und erwähnt dabei einzelne besonders. Er macht damit deutlich, dass sie nicht überholt sind, sondern ein aktuelles Ausleben des Glaubens darstellen und einen Christen erkennbar machen.
Sie haben sowohl unbedeutenden Dorfbewohnern eine Anleitung zu einem Gott wohlgefälligen Leben gegeben als auch vielen Herrschern in der Entwicklung des Abendlandes als Hilfe zum Regieren gedient. Ganz besonders hatten sie entscheidenden Einfluss bei der Entstehung unserer Gesetzgebung und dadurch Europa erblühen lassen.
Albert Schweitzer sagte dazu: „Es gibt in der Welt 30 Millionen Gesetze, um die 10 Gebote durchzuführen.“ Ob das nun auf den Punkt stimmt, sei dahingestellt. Er wollte mit dieser Aussage ihre großartige Bedeutung für die Menschheit aufzeigen. Und Charles de Gaulle meinte nur trocken: „Die 10 Gebote sind deshalb so kurz und verständlich, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustande gekommen sind.“
Dietmar Tober