Warum feiern Christen Abendmahl?

Kurze Antwort

Christen feiern das Abendmahl, weil Jesus es ihnen aufgetragen hat. Es erinnert an das letzte Mahl von Jesus mit seinen Jüngern vor seiner Verhaftung. Und es ist eine Predigt ohne Worte über das Opfer von Jesus zur Vergebung der Sünden und die Verheißung des ewigen Lebens. Durch das Abendmahl erleben Christen Gemeinschaft mit Jesus, der in Brot und Wein gegenwärtig ist, und untereinander. 

Deshalb ist das Abendmahl ein zentrales Element christlicher Gottesdienste und des christlichen Glaubens.

Das Abendmahl war ein zentrales Kennzeichen der ersten Christen. Die erste Gemeinde in Jerusalem wird so beschrieben: „[Sie] trafen sich regelmäßig und ließen sich von den Aposteln unterweisen. Sie lebten in enger Gemeinschaft, brachen das Brot miteinander und beteten.“ (Apostelgeschichte 2,42). Ein Gottesdienst ohne Abendmahlsfeier war für die ersten Christen unvorstellbar. Das Abendmahl war das Zentrum und der Höhepunkt des Gottesdienstes, auf den auch die Verkündigung zulief.

 

Umgekehrt galt auch: Wenn beim Abendmahl etwas nicht in Ordnung war, dann galt höchste Alarmstufe –  so wie zum Beispiel in Korinth. Dort gab es beim Abendmahl Schwierigkeiten. Die reichen Christen in Korinth brachten zum Abendmahl genug mit, um sich den Bauch vollzuschlagen oder kamen sogar betrunken zum Abendmahl. Die armen Gemeindeglieder mussten dagegen hungrig zuschauen. Dass das nicht gut war, leuchtet ein. Aber für Paulus war das viel schlimmer. Für Paulus war das gar kein richtiges Abendmahl mehr (1. Korinther 11,20). Und das war für ihn so schwerwiegend, dass er diesem Problem ein ganzes Kapitel seines Briefes widmen musste.

 

Warum war das Abendmahl den ersten Christen so wichtig? Weil Jesus selbst es ihnen mitgegeben hatte. Das Abendmahl der Christen ist deshalb untrennbar an ein historisches Ereignis gebunden: an das Abschiedsesssen Jesu mit seinen zwölf Jüngern. Es wird in den ersten drei Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) berichtet.

 

Jesus isst das Mahl mit seinen zwölf Jüngern kurz vor seiner Verhaftung. Er weiß bereits, was ihn erwartet. Er weiß nicht nur, dass er sterben wird, sondern auch dass diese Zwölf ihn alle verlassen werden. Petrus wird ihn verleugnen. Judas wird ihn sogar verraten. Und trotzdem isst er es mit genau diesen zwölf Jüngern. Das Abendmahl ist von vorneherein kein Essen mit Glaubenshelden, sondern mit „normalen“ Jesusjüngern, kurz: mit Sündern. Aber dabei soll es nicht bleiben. Schon dieses erste Abendmahl ist ein Versprechen Jesu, ein Versprechen, dass er die Jünger neu machen wird.

 

Matthäus, Markus und Lukas beschreiben dieses Essen als Passah-Mahl. Jesus wählt diesen Bezug zum Passah ganz bewusst. Er will damit etwas sagen. Im Passah vergegenwärtigt sich das Volk Israel, dass Gott es aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat. Nicht nur damals die Vorfahren, sondern auch das Volk Israel jetzt und heute. Damit ist schon angedeutet, dass auch das Abendmahl kein einfaches Gedächtnismahl ist, sondern eine wirkliche Befreiung, nur diesmal von der Sklaverei der Sünde und des Todes.

 

Beim Abendmahl sagen die ersten drei Evangelisten ausdrücklich, dass Jesus durch seinen Tod das Heil der Menschen bewirkt. Und zwar sagt Jesus das selbst, als er seinen Jüngern das Brot und den Wein gibt. Diese sogenannten „Einsetzungsworte“ kommen nicht nur in jedem Abendmahlsgottesdienst vor, sondern sogar vier Mal im Neuen Testament (Matthäus 26,26–28; Markus 14,22–24; Lukas 22,19–20; 1. Korinther 11,23– 25). Jedes Mal sind sie ein bisschen anders. Mal kürzer, mal ausführlicher. Aber inhaltlich stimmen sie überein: Jesus gibt seinen Jüngern das Brot und den Weinbecher und befiehlt ihnen, dieses Mahl zu halten. Die ersten Christen haben das Abendmahl nicht gefeiert, weil sie es so schön und stimmungsvoll fanden, sondern weil Jesus es ihnen gesagt hatte. Christen feiern das Abendmahl, weil Jesus selbst es eingesetzt hat.

 

Jesus sagt auch, dass das kein „normales“ Essen ist, sondern mehr. „Das ist mein Leib.“ „Das ist mein Blut.“ Jesus sagte seinen Jüngern, dass er ihnen in diesem Essen begegnet, dass er selbst in Brot und Wein da ist. Und er ist nicht einfach nur da, sondern er bewirkt etwas. Sein Leib wird für die Jünger gegeben. Sein Blut ist das „Blut des Bundes“ oder „der neue Bund“. Jesus sagt den Jüngern, dass sein Tod den Jüngern ewiges Heil schenken wird. Er selbst wird „für sie gegeben“, um ihre Sünde wegzunehmen, wie die Opfertiere im Tempel. Und durch seinen Tod wird Gott den neuen Bund mit ihnen schließen, den er durch die Propheten versprochen hatte (Jeremia 31,31). Jesu Tod befreit von der Sklaverei der Sünde und schenkt dadurch neue, ewige Gemeinschaft mit Gott. Und genau das, sagt Jesus, kommt zu den Jüngern, indem sie jetzt das Brot essen und den Wein trinken: Sie begegnen diesem Jesus, der ihnen sich selbst, sein Leben und ewiges Heil schenkt.

 

Deshalb nannte Paulus es „das Mahl des Herrn“ (1. Korinther 11,20). Bei Paulus erkennt man schon, dass er die Einsetzungsworte ganz selbstverständlich zitiert. Sie gehören zum Abendmahl der Christen dazu, weil sie von Jesus selbst stammen (1. Korinther 11,23).

 

Für Paulus hat das Abendmahl noch einen weiteren Aspekt: „Denn sooft ihr dieses Brot esst und aus diesem Becher trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn. Dies gilt so lange, bis er wiederkommt!“ (1. Korinther 11,26). Das Abendmahl ist für Paulus auch Verkündigung, eine Predigt ohne Worte. Die Gemeinde nimmt im Abendmahl das an, was Jesus durch seinen Tod schenkt. Und damit macht sie sichtbar, was dieser Tod für sie bedeutet. Sie verkündigt den Tod ihres Herrn Jesus. Und das tut die Gemeinde solange, „bis er kommt“, also bis Jesus am Ende der Welt wiederkommt. Das Abendmahl ist für Paulus also nicht nur ein Teil dieser Welt, sondern es hat immer die Perspektive Ewigkeit. Der Tod Jesu schenkt uns ewiges Leben und deshalb blickt das Abendmahl nicht nur zurück auf Jesu Tod, sondern auch voraus auf unser ewiges Leben. Das Johannesevangelium macht es ganz anders. Auf den ersten Blick erzählt es gar nichts vom Abendmahl. Johannes berichtet nur, dass Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht. Das Abschiedsessen entfällt. Aber Johannes erzählt doch vom Abendmahl, nur indirekt, so wie er es oft tut. In Johannes 6,54 sagt Jesus: „Wer meinen Leib isst und mein Blut trinkt, erhält das ewige Leben. Und am letzten Tag werde ich ihn vom Tod erwecken.“ Damit bringt Johannes noch einige weitere Facetten des Abendmahls mit ins Spiel.

 

Johannes verbindet die Rede Jesu (Johannes 6,22–59) bewusst mit der Speisung der 5000 (Johannes 6,1–15) und wie Jesus auf dem Wasser geht (Johannes 6,16–21). Damit macht er deutlich: Hier tut Jesus ein Wunder, etwas, das unseren Verstand übersteigt. Er gibt uns eine Nahrung, die direkt von Gott kommt, so wie das Manna in der Wüste.

 

„Fleisch“ steht dafür, dass Jesus wirklich „Fleisch geworden“ ist (Johannes 1,14). Das Brot im Abendmahl mit seinem sinnlich-spürbaren, essbaren Charakter verdeutlicht uns, dass Jesus wirklich Mensch geworden ist. „Blut“ steht in der Bibel für das Leben (1. Mose 9,4). Jesus hat sein Leben gegeben, damit wir ewiges Leben haben. Aber das Entscheidende bei diesem Essen und Trinken ist der Glaube: „Wer glaubt, hat das ewige Leben.” (Johannes 6,47). Glaube und Abendmahl gehören untrennbar zusammen.

 

Auch hier wird deutlich: All das ist nicht nur eine Erinnerung, sondern Jesus begegnet uns tatsächlich in diesem Mahl, in Brot und Wein. Wie genau das funktioniert, steht nicht in der Bibel. Generationen von Theologen haben leidenschaftlich darum gestritten, aber im tiefsten Grund bleibt es doch ein Geheimnis: Jesus begegnet uns in Brot und Wein. Er ist tatsächlich da, schenkt uns Vergebung und neues, ewiges Leben und stärkt unseren Glauben.

 

In diesem Sinne ist das Abendmahl ein doppeltes Gemeinschafts-Mahl: Jesus hat Gemeinschaft mit seiner Gemeinde. Paulus schreibt: „Denkt an den gesegneten Becher, über den wir das Dankgebet sprechen: Gibt er uns nicht Anteil am Blut von Christus? Denkt an das Brot, das wir brechen: Gibt es uns nicht Anteil am Leib von Christus?“ (1. Korinther 10,16). So, wie Jesus in seinem irdischen Wirken immer wieder mit Sündern gegessen hat, so isst er jetzt im Abendmahl mit den Sündern, die an ihn glauben. Dadurch zeigt er, dass seine Vergebung real ist. Und über diese Gemeinschaft freut sich die Gemeinde. Deshalb ist das Abendmahl ein Freuden-Mahl. Die Gemeinschaft mit Jesus bewirkt die Gemeinschaft der Christen untereinander. Und das macht die Christen fröhlich.

 

Im Abendmahl kommt also das ganze Evangelium zusammen. Die ganze frohe Botschaft von Jesus Christus wird in dieser einfachen Handlung zusammengefasst und erfahrbar: Die eigene Sünde, die Vergebung der Sünde durch Jesu Tod, die neue Gemeinschaft mit Gott und den Mitchristen, das ewige Leben durch seine Auferstehung und die Freude des neuen Lebens. In diesem Mahl war Jesus selbst gegenwärtig.

 

Deshalb ist das Abendmahl für die ersten Christen so wichtig. Deshalb konnten sie sich einen Gottesdienst ohne Abendmahl nicht vorstellen. Und darüber konnten sich nicht nur die ersten Christen freuen, sondern alle Christen zu allen Zeiten, so wie zum Beispiel Ernst Moritz Arndt (Evangelisches Gesangbuch Nr. 213,6):

 

Drum jauchze, meine Seele,

drum jauchze deinem Herrn!

Verkünde und erzähle

die Gnade nah und fern,

den Wunderborn im Blut,

die sel’ge Himmelsspeise,

die auf verborg‘ne Weise

dir gibt das höchste Gut.

 

 

Benjamin Hummel
Albrecht-Bengel-Haus (https://www.bengelhaus.de/)

 

(Erschien ursprünglich in Theologische Orientierung Nr. 206, S. 7-9 mit dem Titel "Von Jesus eingesetzt: Das Abendmahl im Neuen Testament")

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Geändert am: 16.08.2024

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