Ist “The Chosen” über Jesus Christus nah an der Bibel?

Kurze Antwort

Im Fokus von The Chosen” steht das Leben der Menschen, die Jesus von Nazaret in seinem Leben begleiteten. Die Lebensgeschichten dieser Personen sind erfunden oder biblische Andeutungen über sie wurden ausgeschmückt. In der Bibel wird z. B. nur die Schwiegermutter von Petrus erwähnt (Markus 1,30), während die Serie die Ehefrau von Petrus zeigt. Die Taten von Jesus Christus sind aber so dargestellt, wie sie in den Evangelien berichtet werden. Darin ist die Serie sehr nah an der Bibel.

Die Frage, ob The Chosen” nahe an der Bibel ist, kann man nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantworten. Beides stimmt.  

 

Zunächst ist wichtig, dass das Produktionsteam von The Chosen” die Bibel sehr ernst nimmt und versucht, der Überlieferung der Evangelien treu zu bleiben.  

Diese Treue zeigt sich insbesondere in der Darstellung von Jesus von Nazaret. Das, was in den Evangelien von ihm berichtet wird, findet sich so auch in der Serie wieder. Sowohl seine Taten als auch seine Reden sind teilweise wörtlich in der Serie wiedergegeben. Natürlich bringt jede Darstellung von Jesus eine gewisse Interpretation mit sich, zumindest in der Frage nach Aussehen, Frisur, Kleidung usw.  

 

Dabei orientiert sich die Serie nicht nur an einem Evangelium, sondern versucht, die vier biblischen Berichte zu einer einheitlichen Geschichte zu verbinden. Auch hinsichtlich der zeitlichen Abfolge des Wirkens von Jesus wählt die Serie einen eigenen Ansatz, ohne dabei den biblischen Aussagen zu widersprechen. Doch sie interpretiert diese. So wird in der Serie z. B. die im Lukasevangelium erwähnte Heilung von Maria Magdalena (Lukas 8,2) vor der Berufung der ersten Jünger erzählt. Diese Berufungen stehen in den Evangelien üblicherweise am Anfang des Wirkens von Jesus (Markus 1,16ff; Matthäus 4,18ff; Lukas 5,1ff; Johannes 1,35ff). 

 

Diesen freien Interpretations-Ansatz wählt die Serie auch für ihre Hauptcharaktere, die Auserwählten” (The Chosen”), also die Jüngerinnen und Jünger, die mit Jesus in den Jahren seines irdischen Wirkens unterwegs waren. Auf ihnen liegt der Fokus der Serie. Da die Evangelien nur wenig über die Hintergründe dieser Menschen erzählen, muss die Serie verständlicherweise Lebensgeschichten dieser Personen erfinden.  

 

Dazu wird meist aus einer kleinen Bemerkung in der Bibel eine Hintergrundgeschichte zu einer Person entwickelt; es wird jedoch versucht, der biblischen Überlieferung dabei treu zu bleiben. 

 

Hier drei Beispiele (Achtung, Spoiler!):  

 

1.) Die Frau von Simon Petrus 

Die Bibel erzählt, dass Jesus die Schwiegermutter des Simon Petrus heilt (Markus 1,30). Die Serienmacher folgern daraus, dass Petrus verheiratet gewesen sein muss. Auch Paulus erwähnt das in seinem Brief an die Korinther (1. Korinther 9,5). Im alltäglichen Leben von Petrus war seine Frau womöglich ein wichtiger Bestandteil. Dementsprechend bekommt sie in der Serie eine größere Rolle zugeschrieben als in der biblischen Überlieferung. Zudem ist der Ruf von Jesus in die bedingungslose Nachfolge für Simon Petrus eine Herausforderung: Er lässt seine Frau immer wieder für längere Zeiträume allein, um mit Jesus unterwegs zu sein. Dieser Umstand führt in der Serie zu inneren Spannungen bei Petrus, von denen die Bibel nichts berichtet. 

 

2.) Was unter dem Feigenbaum geschah 

Im Johannesevangelium wird berichtet, dass Jesus einem Mann namens Natanael sagt: Ich habe dich unter dem Feigenbaum gesehen.” (Johannes 1,48) Daraufhin bekennt Natanael, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Alle aufmerksamen Bibelleser fragen sich nun: Warum erwähnt Jesus diesen Feigenbaum?” Denn er spielt in der sonstigen Erzählung keine Rolle. Die Serie vermutet, dass sich unter einem Feigenbaum ein sehr prägendes Erlebnis für Natanael abgespielt haben muss. Sie zeigt, wie er eine berufliche Krise durchlebt und Gott unter einem einsamen Feigenbaum sein Leid klagt. Die Glaubenskrise Natanaels und der Zweifel an seiner Berufung wird als Hintergrund gewählt, um die Aussage von Jesus verständlich zu machen. Zugleich wird damit die starke Reaktion Natanaels verständlich, der unmittelbar erkennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist. 

 

3.) Das Leben eines Zeloten 

Das Lukasevangelium berichtet, dass einer der Jünger von Jesus Simon der Zelot” genannt wurde (Lukas 6,15). Die fanatische Gruppierung der Zeloten versuchte, Israel durch Waffengewalt von der Besetzungsmacht der Römer zu befreien. Die Beschreibung legt nahe, dass Simon sich dieser Gruppierung zugehörig fühlte.  


Die Serie interpretiert diesen Beinamen genau auf diese Weise. Sie zeigt die jahrelange Ausbildung, die Simon bei den Zeloten durchlebte: das körperliche und taktische Training, seine Geschicklichkeit mit dem Dolch und die religiöse Erziehung, dass Gottes Gerechtigkeit für sein Volk bald kommt. Die Begegnung mit Jesus zeigt Simon einen neuen Weg. Jesus wirft seinen Dolch weg. Seine Gerechtigkeit für Israel und die Welt kommt auf eine andere Weise, das muss Simon lernen. Dennoch macht er weiterhin an jedem Morgen seine körperlichen Übungen.  

 

Anhand dieser drei Beispiele wird deutlich, dass die Serie vieles zeigt, was sie aufgrund einer biblischen Bemerkung im Leben der Menschen um Jesus vermutet. Sie ist insofern nah an der Bibel, dass sie den biblischen Bericht von Jesus Christus bezeugt, diesen jedoch in die fiktiven Lebensgeschichten von normalen Menschen einbettet. Ob diese einzelnen Lebensgeschichten der Jüngerinnen und Jünger nun historisch zutreffend sind oder nicht, wird sich nicht eindeutig klären lassen.  

 

Jedoch erhält man dadurch einen detaillierten Einblick in die Lebens- und Glaubenswelt der damaligen Zeit. Außerdem gelingt es der Serie, die Menschen um Jesus nicht als Heilige, sondern als ganz normale Menschen zu zeigen. Sie waren in ihrem sozialen Umfeld in ihre wirtschaftlichen, gesundheitlichen und familiären Herausforderungen verstrickt. Außerdem bewirkt das Unterwegssein mit Jesus nicht, dass sie sofort alle Zweifel und Gewohnheiten ihres Lebens hinter sich lassen. Vielmehr müssen sie lernen, wer Jesus ist, und dürfen feststellen, dass sich durch ihn ihr Leben zum Guten verändert.  

 

Gerade dadurch lässt sich die Serie sehr gut in unsere heutige Welt übertragen. Denn der Fokus liegt auf normalen Menschen: Menschen mit Problemen, mit Sorgen, mit Fehlern. Auf Jüngern, die sich nicht mögen, die Vorurteile haben usw. So können sich die Zuschauer mit diesen normalen Menschen identifizieren. Jesus wählt sich genau solche Menschen aus – normale Menschen. Und die Begegnung mit ihm verändert ihr Lebenebenso wie das Leben von Menschen heute, die sich darauf einlassen, ihm nachzufolgen. Das zeigt The Chosen auf eindrückliche Weise. 

 

 

Martin Grauer 

Evangelisches Jugendwerk in Württemberg www.ejwue.de 

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Geändert am: 30.06.2025

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