Jesus selbst gibt sich Menschen zu erkennen. Dies geschieht heute in vielfältiger Weise durch sein Wort und den Heiligen Geist. In der Bibel steht: Niemand kann „sagen: Jesus ist der Herr! wenn nicht der Heilige Geist in ihm wirkt“ (1. Korinther 12,3b).
Wofür wir nicht gemacht sind
Gott hat den Menschen wunderbar gemacht und mit vielen Gaben ausgestattet: Ingenieure konstruieren unentwegt neue Dinge wie Überschallflugzeuge oder selbstfahrende Autos. Ärztinnen suchen mit dem „Stethoskop der Wissenschaft“ nach neuen medizinischen Erkenntnissen. Eltern bemühen sich, ihre Kinder zu verstehen, und fördern sie nach Kräften. So geschehen in vielen Sektoren unseres menschlichen Lebens Fortschritte, Nachdenken, Neu-Denken und neue Erkenntnisse.
Dass wir so viel können, dafür können wir Gott loben: „Ich danke dir und staune, dass ich so wunderbar geschaffen bin. Ich weiß, wie wundervoll deine Werke sind“ (Ps 139,14).
Doch etwas können wir nicht. Das ist uns abhandengekommen: Jesus Christus zu erkennen als gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn. Das geht nicht mit den Mitteln unseres Geistes, mit denen wir z. B. den Vorgang der Photosynthese erkennen können.
Martin Luther hat dies in der Erklärung zum 3. Glaubensartikel eindrücklich formuliert:
„Ich glaube, dass ich nicht … aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mich durchs Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet und erhalten …“
Viele Erkenntnisse im Kopf, wenig Licht im Herzen
Warum ist das so, dass wir zum Mond fliegen, aber nicht selbstverständlich Jesus Christus und seinen himmlischen Vater erkennen können? Obwohl die Bibel doch sagt, dass mit Jesus ein helles Licht in die Finsternis der Welt gekommen ist. Davon lesen wir z. B. in Johannes 1,5.7.9.10.
Um die Antwort besser zu verstehen, brauchen wir eine kurze Rückblende ins Paradies:
Die ersten Menschen konnten mit Gott, der sie abends besuchte, von Angesicht zu Angesicht sprechen. Es war zwar nicht allzu viel los im Paradies, sie waren nur zu zweit, aber sie erlebten die ungetrübte Schönheit der Schöpfung Gottes. Es war alles sehr gut, sehr vollkommen, sehr genial, wie wir es im 1. Kapitel der Bibel nachlesen können: 1. Mose 1. Und damit hatten sie genügend Gesprächsstoff beim abendlichen Talk im Paradies mit dem Schöpfer der Welt.
Doch dann ereignete sich der verheerende Absturz, der Sündenfall, der ab sofort eine direkte Verständigung mit dem lebendigen Gott unmöglich machte. Der Mensch musste das Paradies verlassen und von da an ohne Gott zurechtkommen in einer Welt, in die das Böse einzog. Eine finstere Macht, die den Menschen immer aufs Neue anstachelte, gegen Gott und die Mitmenschen zu sein. In 1. Mose 3,8ffund 4,3ff wird davon berichtet.
Dieses Böse – der Satan oder der Teufel – verfinsterte unseren angeborenen, natürlichen Verstand. Der Apostel Paulus formulierte es so: „Ihre Erkenntnisfähigkeit ist getrübt. Ihnen ist das Leben fremd, das Gott schenkt. Denn sie sind unwissend und haben ihr Herz verschlossen.“ (Epheser 4,18)
Die zweite Chance
Jesus Christus hat uns Menschen eine zweite Chance eröffnet, mit unserem himmlischen Vater wieder ins vertraute Gespräch zu kommen. Dazu musste er – Gotteseinziger Sohn – den Himmel verlassen, ein Mensch werden, die Sünde aus dem Weg räumen, indem er sie auf sich nahm, und den Menschen Gottes Einladung zustellen: „Amen, amen, das sage ich euch: Wer mein Wort hört, und dem glaubt, der mich beauftragt hat, hat das ewige Leben“ (Johannes 5,24). „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hingab. Jeder, der an ihn glaubt, soll nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben“ (Johannes 3,16).
Logisch! Und doch nichts begriffen?
Es scheint alles logisch. Unsere grauen Zellen können die Worte erfassen. Und doch fehlt noch etwas, um persönlich an Jesus Christus zu glauben. Wie können wir Jesus Christus als Retter und Heiland der Welt erkennen? Wie funkt es zwischen Christus und mir? Tatsache ist, dass es seit Jahrhunderten auf allen Kontinenten immer wieder funkt zwischen einem Menschen und Jesus. Tatsache ist auch, dass es bei diesem einzigartigen Aha-Erlebnis der Christus-Erkenntnis kein Schema gibt.
Vier Beispiele aus dem Neuen Testament:
- Jesus fragte seine Freunde bei einer Wanderung: „Für wen haltet ihr mich?“ Da ging Petrus plötzlich ein Licht auf und er antwortete spontan: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Da beglückwünschte ihn Jesus und stellte fest: „Diese Erkenntnis hast du nicht aus dir selbst, sondern von meinem Vater im Himmel“ (Matthäus 16,15-17).
- Eine Unternehmerin hörte mit anderen Frauen eine Predigt. Die fand nicht in einer Kirche statt, sondern an einem beschaulichen Ort an einem Fluss, außerhalb der Stadt. Sie war Jüdin und glaubte an den Gott Israels, den Gott der Bibel. Während der Predigt, öffnete Gott ihr „das Herz, sodass sie den Worten von Paulus aufmerksam zuhörte. Sie ließ sich taufen zusammen mit ihrer ganzen Hausgemeinschaft“ (Apostelgeschichte 16,13-15).
- Ein Mann war bei seiner Arbeit. Er nahm vorbeikommenden Leuten die fällige Zollsteuer ab, schlug noch etwas drauf – er lebte schließlich davon. Da kam Jesus vorbei, hatte nichts zu verzollen, aber er schaute ihn an und sagte: „Komm, folge mir!“ (Matthäus 9,9) Matthäus stand ohne zu zögern auf, schloss seinen Laden und folgte Jesus.
- Saul, ein junger Mann, war ein kluger Kopf, dual ausgebildet: Theologe und Teppichweber. Er war radikal gegen Jesus und seine Nachfolger eingestellt und verfolgte sie bis aufs Blut. Bei so einer Strafexpedition passierte es: Kurz vor dem Zielort Damaskus blendete ihn ein greller Lichtkegel und warf ihn zu Boden. Eine Stimme ertönte: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ Der junge Mann fragte entgeistert: „Wer bist du, Herr?“ „Ich bin Jesus, den du verfolgst“ (Apostelgeschichte 9,3-9). Die Antwort machte Saul sprachlos.
Er berappelte sich, kam wieder auf die Beine, konnte aber nichts mehr sehen. Seine Leute führten den Hilflosen in die Stadt und in sein Quartier. Er ging in sich. Erschüttert erkannte er, dass Jesus lebt. Drei Tage lang aß und trank Saul nichts. Aber er betete leidenschaftlich und flehentlich.
Jesus schickte ihm einen freundlichen Christen in seine Unterkunft. Der kam gleich zur Sache: „Saul, mein Bruder, der Herr hat mich gesandt – Jesus, der dir auf dem Weg hierher erschienen ist. Du sollst wieder sehen können und mit dem Heiligen Geist erfüllt werden“ (Apostelgeschichte 9,17-19).
Dieser junge Mann nannte sich danach Paulus. Er verkündigte in der damaligen Welt das Evangelium, oft unter großen Strapazen, Verfolgungen und Misshandlungen. Im Originalton klingt das bei ihm so: „Wir verkünden nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, den Herrn. … Gott hat einst gesagt: ‚Aus der Dunkelheit soll ein Licht aufleuchten!‘ Genauso hat er es in unseren Herzen hell werden lassen. Durch uns sollte das Licht der Erkenntnis aufleuchten: Die Herrlichkeit Gottes sollte sichtbar werden, die uns in Jesus Christus begegnet“ (2. Korinther 4,5-6).
Gott ruft bis heute
Die kleine Auswahl von vier Beispielen zeigt uns, dass Jesus Männer und Frauen, reiche und arme, gebildete und einfache Leute in den Lichtkreis seiner Gegenwart ruft. Dies geschieht bis heute sehr oft durch ein Wort Gottes, das uns besonders berührt und dem wir uns zu stellen haben. Dabei wird keinem Menschen die Freiheit genommen, Nein zu sagen oder die Tür des Herzens nicht zu öffnen, wenn Christus anklopft und das ewige Leben mit ihm teilen will (siehe Matthäus 19,16-22; Offenbarung 3,20).
„Im Wort kommt der Geist und gibt den Glauben, wo und welchem er will“ (Martin Luther). Das kann sich unkompliziert ereignen. Ein Kind kann es verstehen. Und gleichzeitig kann es sehr kompliziert sein.
Stellen wir uns vor, ein Glas Wasser steht vor uns. Wir haben Durst. Aber wir überlegen uns, wie das Wasser zusammengesetzt ist, ob es mich verändert, wenn ich es trinke, ob es mir schadet, ob es gar nicht da ist, weil ich mir nur einbilde, dass in dem Glas etwas Durstlöschendes drin ist – ich geh lieber meiner Wege und lasse es stehen. Oder: Ich trinke es und gehe erfrischt hinter dem her, der es mir (ein)geschenkt hat.
Vater, Sohn und Heiliger Geist wirken unermüdlich, um Menschen die Rettung in Jesus Christus erkennen zu lassen und ihnen das ewige Leben zu schenken.
Eine unvorstellbare Zahl von Biografien in der Bibel und in zweitausend Jahren Kirchengeschichte erzählen uns davon, wie individuell und zum Teil wundersam Menschen zur Christus-Erkenntnis kamen. Lassen wir uns davon inspirieren und offen sein, wenn uns Christus in „Wort und Tat und Leben“ begegnet und berührt.
Um Gottes Humor nicht außer Acht zu lassen: Selbst ein Esel stoppte, als ihm die Gegenwart Gottes in der Gestalt eines Engels in den Weg trat. Dagegen kapierte sein Reiter nichts, was tödlich hätte enden können. Er verdankte dem aufgeweckten Esel sein Leben. Nachzulesen in 4. Mose 22,22-35.
Sr. Heidemarie Führer
Diakonissenmutterhaus Aidlingen