Außerhalb der Bibel finden sich Belege dafür, dass Jesus Christus eine historische Person war, die von den Römern gekreuzigt wurde. Vor allem die vier Evangelien berichten ausführlicher über das Leben von Jesus. Der Kern der Geschichte von Jesus lässt sich so zusammenfassen: Jesus starb freiwillig für die Menschheit am Kreuz. Er wurde begraben und nach drei Tagen von den Toten auferweckt. Die ersten Nachfolger von Jesus waren überzeugt davon, dass dies die Wahrheit war.
Welche Quellen berichten über das Leben von Jesus?
Abgesehen von den vier biblischen Evangelien (Matthäus, Markus, Lukas und Johannes) erfahren wir sehr wenig über das Leben von Jesus. Die Paulus-Briefe, die wahrscheinlich vor den Evangelien geschrieben wurden, enthalten einige Angaben: Der alttestamentliche König David war ein Vorfahre von Jesus (Römer 1,3); Jesus hatte einen (Halb-)Bruder namens Jakobus (Galater 1,19), lebte in relativer Armut (2. Korinther 8,9), wählte zwölf Jünger als Nachfolger (1. Korinther 15,5) und wurde gekreuzigt, begraben und am dritten Tag von den Toten auferweckt (1. Korinther 15,4).
Griechisch-römische Quellen aus dem ersten und zweiten Jahrhundert beinhalten noch weniger Informationen über das Leben von Jesus. Der römische Historiker Tacitus (56–117 n. Chr.) erzählt von der Christenverfolgung in Rom durch den Kaiser Nero. Die Religion dieser Christen wurde laut Tacitus von einem Mann namens Christus gegründet, der durch Pontius Pilatus die höchste Strafe erlitt (vgl. Annales 15,44). Der römische Politiker Plinius der Jüngere schrieb etwa 112 n. Chr. in einem Brief darüber, dass Christen Jesus als Gott anbeteten (vgl. Briefe an Trajan 10,96). Aus diesen Quellen geht hervor, dass Jesus von Pilatus gekreuzigt und von den ersten Christen als Gott verehrt wurde.
Der jüdische Historiker Flavius Josephus (etwa 37–100 n. Chr.) beschreibt Jesus als einen weisen und tugendhaften Lehrer. Auch er berichtet, dass Jesus durch Pontius Pilatus gekreuzigt wurde. Laut Josephus erzählten die Jünger von Jesus, dass dieser ihnen drei Tage nach seinem Tod lebendig begegnete. (Dieser Bericht des Josephus wurde in einer arabischen Version von „Jüdische Altertümer“ gefunden; die meisten Forscher gehen davon aus, dass diese Version authentisch ist.)
Zudem existieren eine Reihe apokrypher Evangelien – also Evangelien, die nicht in der Bibel vorkommen. Beispielsweise beinhaltet das Thomasevangelium 114 Aussprüche von Jesus. Dieses Evangelium wurde aber wahrscheinlich erst im zweiten Jahrhundert verfasst. Viele Jesus-Aussagen darin ähneln denen in den biblischen Evangelien. Doch sie wurden durch eine frühe Verzerrung des christlichen Glaubens beeinflusst. Es ist umstritten, ob das Thomasevangelium echte Aussagen von Jesus enthält. Auch andere apokryphe Evangelien (wie das Petrusevangelium oder das sogenannte Kindheitsevangelium nach Thomas) entstanden wahrscheinlich frühestens im zweiten Jahrhundert. Sie wurden oft von unchristlichen Glaubensinhalten beeinflusst und nicht von den ersten Jüngern von Jesus geschrieben.
Die wichtigsten Quellen, um die wahre Geschichte von Jesus zu erfahren, sind also die vier biblischen Evangelien. Eine gute Zusammenfassung bietet die Verkündigung des Apostels Petrus: Jesus lebte in Nazareth, wurde getauft und vollbrachte große Wunder. Schließlich wurde er gekreuzigt und nach drei Tagen von den Toten auferweckt (Apostelgeschichte 10,37-41). Wie historisch diese Berichte in den Evangelien sind, wurde in den letzten Jahrhunderten unterschiedlich beantwortet.
Die Suche nach dem historischen Jesus
In der Zeit der Aufklärung (17. bis 18. Jahrhundert) begannen Akademiker, das Leben von Jesus aus einer rationalen Perspektive zu analysieren. Nur rational erklärbare Geschichten konnten demnach stimmen. Erzählungen von Wundern beispielsweise wurden deswegen skeptisch betrachtet. Sie wurden entweder als frei erfunden angesehen oder mussten anders erklärt werden. Nach diesem Ansatz erweckte Jesus seinen Freund Lazarus nie von den Toten (vgl. Johannes 11,1-45). Manche erklärten die Geschichte damit, dass Lazarus im Koma lag. Jesus rettete seinen Freund lediglich vor einem frühzeitigen Begräbnis. Auch die Auferstehung von Jesus war für diese Forscher kein übernatürliches Wunder: Jesus war nur scheinbar tot und wurde später medizinisch versorgt. Man verstand Jesus als einen einfachen Menschen im ersten Jahrhundert, der von Gottes Liebe erzählte. Doch bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurden solche teilweise absurden Erklärungen der Geschichten in den Evangelien abgelehnt.
Im 20. Jahrhundert sahen Theologen wie Rudolf Bultmann keine Möglichkeit, die historischen Ereignisse um Jesus zu rekonstruieren. Bultmann verstand die Erzählungen in den Evangelien als Mythen. Demnach seien bei den ersten Christen fantasievolle Geschichten über Jesus entstanden.
Die meisten Theologen der letzten Jahrzehnte gehen jedoch davon aus, dass man durch historische Untersuchungen die Geschichte des wahren Jesus nachvollziehen kann. Dabei akzeptieren manche Forscher, dass die synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) grundsätzlich historisch zuverlässig sind. Andere erkennen nur die Geschichten an, die historisch bewiesen werden können. Fast alle Theologen mit den unterschiedlichsten Hintergründen kommen heute zu dem Schluss, dass Jesus Christus eine historische Person war. Welche Aspekte seines Lebens in den Evangelien sie nun für wahr halten, hängt von der Voreingenommenheit der Theologen ab. Wer davon ausgeht, dass übernatürliche Ereignisse möglich sind, wird diese eher als historisch wahr akzeptieren. Wer hingegen die Möglichkeit von Wundern ablehnt, wird diese auch als unhistorisch ablehnen.
Was können wir über das wahre Leben von Jesus wissen?
Stimmen also die Ereignisse in den biblischen Evangelien? Letzten Endes hängt die Antwort darauf von einer zentralen Frage ab: Ist Jesus wirklich von den Toten auferstanden? Kein glaubwürdiger Historiker bezweifelt heute die Existenz von Jesus oder seine Kreuzigung. Dass Jesus eine wahre Person war und an einem Kreuz starb, ist also historischer Fakt. Was aber passierte mit dem Leichnam von Jesus nach seinem Begräbnis? Interessanterweise erzählen alle vier Evangelien, dass es zuerst Frauen waren, die das Grab von Jesus leer vorfanden (Matthäus 28,1-7; Markus 16,1-8; Lukas 24,1-11; Johannes 20,1-18). Im ersten Jahrhundert waren Frauen nicht einmal berechtigt, in einem jüdischen Gericht auszusagen. Es hätte keinen Sinn gemacht, diese Frauen als erste Zeugen des leeren Grabes zu erfinden. Scheinbar glaubten nicht einmal die (männlichen) Jünger den Aussagen der Frauen (Lukas 24,11)!
Nur wenige Wochen nach dem Tod von Jesus erzählten seine Nachfolger in Jerusalem, dass er von den Toten auferstanden sei (Apostelgeschichte 2,14-36). An jenem Ort, an dem Jesus kurz zuvor verurteilt, gekreuzigt und begraben wurde. Jeder hätte damals zum Grab von Jesus gehen und mit eigenen Augen seinen Leichnam inspizieren können. Das alles ergibt nur Sinn, wenn das Grab von Jesus tatsächlich am dritten Tag leer aufgefunden wurde. Auch das betrachten heute die meisten Historikern als unumstritten.
Nur gut 20 Jahre nach der Kreuzigung von Jesus berichtet der Apostel Paulus: Der auferstandene Jesus sei von„mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal“ gesehen worden, von denen „die meisten (…) noch am Leben“ seien (1. Korinther 15,6). Paulus behauptete damals also, dass Hunderte Augenzeugen der Auferstehung von Jesus noch am Leben waren. Moderne Versuche, dies durch Massenhalluzinationen oder ähnliches zu erklären, sind absurd. Solche Erklärungsversuche beweisen aber: Heutige Historiker gehen davon aus, dass tatsächlich Hunderte von Menschen zumindest dachten, sie hätten den auferstandenen Jesus gesehen.
Welchen Grund hätte der Apostel Paulus gehabt, zu lügen? Warum hätten die Jünger von Jesus solche Behauptungen aufgestellt? Paulus und wahrscheinlich zehn der zwölf Jünger von Jesus starben, zum Teil auf brutale Weise, für ihre Behauptungen. Dies ist nur zu erklären, wenn die Jünger zumindest dachten, dass Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden ist. Auch das ist heute für die meisten Historiker ein Fakt.
Was ist also die wahre Geschichte von Jesus Christus? Laut den ersten Gläubigen, die mutmaßlich den auferstandenen Jesus selbst gesehen hatten, sind das die Kernereignisse: „Christus ist für unsere Sünden gestorben, wie es in der Heiligen Schrift steht. Er wurde begraben und am dritten Tag auferweckt, wie es in der Heiligen Schrift steht.“ (1. Korinther 15,3-4)
Wenn die Auferstehung von Jesus kein historisches Ereignis war, dann ist der christliche Glaube hinfällig; bedeutungslos; eine einzige Lüge (1. Korinther 15,17-19). Aber wenn Jesus nach seiner Kreuzigung tatsächlich auferstanden ist, dann ändert das alles.
Diese Ereignisse waren die Grundbotschaft der ersten Christen, die Jesus hautnah erlebten.
Diese Ereignisse sind der Kern des christlichen Glaubens.
Diese Ereignisse erzählen die wahre Geschichte von Jesus Christus.
Michael Kirchdorfer
Interkulturelle Theologische Akademie