Gott wird als Vater bezeichnet, weil insbesondere Jesus Christus Gott sehr häufig als Vater angeredet hat. Jesus sagte seinen Anhängern zu, dass sie Gott ebenfalls als Vater anreden können (Matthäus 6,9). Wir Menschen können also eine persönliche Beziehung zu Gott wie zu einem guten Vater haben. Als Vater ist Gott liebevoll und gerecht. Jeder Mensch darf sich vertrauensvoll an Gott als Vater wenden. Jesus Christus ist dabei der Weg zu Gott, dem Vater (Johannes 14,6).
In den jüdischen Heiligen Schriften des Alten Testaments wird Gott nur recht selten „Vater“ genannt (etwa 15-mal). Das kann zum Teil daran gelegen haben, dass eine solche Bezeichnung zu Missverständnissen führen konnte. In der Antike war der Glaube an viele Götter (Polytheismus) verbreitet. Er vermischte sich häufig mit der Vorstellung von praktizierter Sexualität unter den Göttern. Der jüdische Glaube hingegeben bekennt sich zu einem Gott (Monotheismus) und meint daher etwas völlig anderes, wenn von Gott als „Vater“ die Rede ist. Um zu verstehen, was im Kontext der jüdischen Schriften der Bibel gemeint ist, werden wir deshalb jeweils die Frage stellen: Als wessen Vater wird Gott in den jeweiligen Bibelstellen bezeichnet?
Am häufigsten wird Gott im Alten Testament als Vater Israels bezeichnet. Damit soll das Volk Israel darauf hingewiesen werden, dass Gott ihr Ursprung ist, wie der Vater der Ursprung eines Menschen ist (5. Mose 32,6; Jesaja 64,7). Als Vater des Volkes Israel ist Gott gleichzeitig ihr Erlöser (Jesaja 63,16). Das bedeutet, dass er sich wie ein guter Vater um seinen Sohn Israel kümmert. Wenn sein Volk Israel (im Bild gesprochen: sein Sohn) in Not war, dann wandte sich Gott wie ein Vater dieser Not helfend zu (Jeremia 31,9). Gleichzeitig kommt mit der Anrede als Vater die enge und vertrauensvolle Beziehung des Volkes Israel zu ihrem Gott wunderbar zum Ausdruck (Jeremia 3,4.19). Allerdings hat Israel Gott nicht die Ehre erwiesen, die ihm als Vater gebührt (Maleachi 1,6).
In Psalm 68,6 lesen wir:
„Ein Vater der Waisen, ein Anwalt der Witwen:
Das ist Gott in seiner heiligen Wohnung.“
Es ist bemerkenswert, dass unter den wenigen Stellen, in denen Gott im Alten Testament als Vater bezeichnet ist, gerade diese ist. Gott lässt sich hier als Vater der Vaterlosen und damit der besonders Verwundbaren bezeichnen. Damals wie heute ist dies ein tiefer Trost und eine große Hoffnung für viele Menschen.
Ich selbst bin ohne Vater aufgewachsen. Bereits als Kind habe ich mich gelegentlich vertrauensvoll im Gespräch an Gott gewandt. Gott passte auf mich auf wie ein Vater. Als Jugendlicher ist diese zuvor schmerzhaft fehlende Vaterliebe dann vollends durch den Glauben an den lebendigen Gott in mein Leben eingetreten. Gott, der Vater, hat mir Halt und Trost und Hoffnung gegeben, wie ich es von einem irdischen Vater niemals auch nur ansatzweise erleben konnte. Gleichzeitig ist mir die Gerechtigkeit meines himmlischen Vaters in seinem besonderen Sohn Jesus Christus begegnet. Sein Kommen auf die Erde wurde in der Geschichte Gottes mit den Menschen bereits im Alten Testament vorbereitet.
Schon in der Urgeschichte ganz am Anfang der Bibel gibt Gott den leidenden Menschen ein Versprechen. Durch einen besonderen Nachkommen von Eva wird es eine glückliche Wende in der Geschichte geben (1. Mose 3,15). Dieser besondere Nachkomme wird später als Herrscher und Retter aus dem Stamm Juda genauer beschrieben (1. Mose 49,10). Einer der Nachkommen König Davids aus dem Stamm Juda sollte dieses Versprechen einmal erfüllen.
Dieser in der Bibel versprochene besondere „Sohn bzw. Nachkomme Davids“ würde zugleich „Sohn Gottes“ sein (2. Samuel 7,14; 1. Chronik 17,13). Damit kommen zuerst einmal eine besondere Vertrauensbeziehung und Nähe zwischen diesem Nachkommen Davids und Gott zum Ausdruck. Als Sohn kennt er den Willen seines Vaters und möchte diesem folgen. Ein Sohn ist außerdem im antiken Kontext ein legitimer Erbe. Somit ist es auch eine Verheißung eines göttlichen Erbes und Segens. Dieses Versprechen beinhaltet viel und es wurde in den weiteren Heiligen Schriften noch vertieft (Psalm 2,7; Jesaja 9,5).
Die Könige im Alten Testament aus der Nachkommenschaft Davids haben diese Hoffnungen nie ganz erfüllt. Aber die Hoffnung und Erwartung gemäß der Versprechen Gottes sind auch nie verschwunden (Psalm 89,27; vgl. Haggai 2,23; Sacharja 9,9; 12,10 u.v.m.).
In den Evangelien des Neuen Testamentes begegnet uns Jesus von Nazaret. In der ersten Zeile des Neuen Testamentes wird er uns vorgestellt als der versprochene Nachkomme von David und Abraham (Matthäus 1,1). Gott, der Vater, bezeugt vom Himmel aus, dass Jesus sein geliebter Sohn ist (Matthäus 3,17). Jesus ist tatsächlich in einer besonderen und einzigartigen Weise Gottes Sohn (Johannes 1,14). Darum gebraucht er die Anrede „Vater“ für Gott sehr viel häufiger als dies bisher den Juden bekannt und vertraut war (etwa 170-mal in den uns vorliegenden Berichten!).
Jesus Christus steht seinem himmlischen Vater sehr nah. Er kennt ihn nämlich von aller Ewigkeit her (Johannes 1,18). Die Liebe zwischen beiden ist so groß, dass der Sohn bereit ist, sich dem Vater auch in den schwersten Momenten seines Lebens und Sterbens vertrauensvoll unterzuordnen (Markus 14,36; Lukas 23,46; Hebräer 5,7-9). In seinem Leben auf der Erde machte Jesus seinen geliebten Vater den Menschen bekannt. Jesus redete viel vom Vater und zeigte mit seinen Werken, wie der Vater ist. Die Liebe, die der Sohn vom Vater empfangen hatte, gab er weiter an die Menschen (Johannes 15,9). Dabei forderte Jesus seine Anhänger dazu auf, an dieser empfangenen Liebe selbst festzuhalten und sie wiederum weiterzugeben (Johannes 13,34-35).
Die Liebe Gottes kommt durch seinen Sohn Jesus Christus in unsere Welt und zu jedem Einzelnen von uns ganz persönlich (Johannes 3,16). Jesus verkörpert diese Liebe Gottes im wörtlichen und übertragenen Sinne. Da, wo Menschen diese leibhaftige Gegenwart Gottes in Jesus vor Augen tritt, kommt es zu unterschiedlichen Reaktionen. Von einigen lesen wir in der Bibel: Manche fielen vor Jesus nieder vor Ergriffenheit über die Größe Gottes und vor Entsetzen über ihre eigene Schwäche (Lukas 5,8). Andere rebellierten gegen die Begegnung mit Gott in Jesus Christus. Sie wollten Jesus sogar töten, weil er sich als Sohn Gottes bezeichnete und sich so mit Gott auf eine Stufe stellte (Johannes 10,31-42).
Solche entgegengesetzten Reaktionen ruft Jesus Christus bis heute bei den Menschen hervor. Dabei schließt Jesus aber keinen Menschen aus. Alle sind ausnahmslos eingeladen, sich Gott als Vater zu nähern (Matthäus 6,9). In dieser Gemeinschaft mit Gott kommt der Mensch nach Hause. Hier findet ein jeder von uns Frieden und Ruhe für Körper, Seele und Geist. Jesus betonte, dass er selbst der Weg in eine vertraute Beziehung eines Menschen zu Gott, dem Vater, ist (Johannes 14,6). Wir dürfen uns vertrauensvoll an Jesus wenden. Er ist vom Tod auferstanden und lebt auch heute. Wenn wir das im Glauben annehmen, erhalten wir das Vorrecht, Gott den Vater auch als unseren Vater anzurufen und mit ihm in ewiger Gemeinschaft zu leben (Johannes 1,12).
Tomislav Jerkovic
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