Warum glaubten die Menschen nicht an Jesus Christus?

Kurze Antwort

Mit seinem unpolitischen Auftreten passte Jesus nicht zu der damaligen Erwartung der Menschen. Sie hatten auf einen politischen Retter gehofft (Lukas 1,67-71). Außerdem vertrat Jesus einen Anspruch als Sohn Gottes (Matthäus 26,63-64), der seine Zuhörer herausforderte. Sie mussten ihre Stellung zu ihm (Johannes 3,18), ihre Glaubensvorstellungen (z.B. beim Sabbatgebot, Markus 3,1-6) und ihr Leben überdenken (Matthäus 4,17). Dazu waren viele Menschen nicht bereit.

Der kontroverse Jesus 

Eigentlich sollte man meinen, dass die Menschen zur Zeit von Jesus alle an ihn glaubten. Immerhin hatte er unzählige Wunder quer durch die jüdischen Provinzen Galiläa und Judäa vollbracht. Selbst seine Gegner konnten seine Wunder nicht leugnen (Johannes 11,47). Jesus selbst erhob den Anspruch, dass die Menschen ihm eigentlich wegen seiner Wunderzeichen glauben sollten: Als der Wegbereiter von Jesus, Johannes der Täufer, im Gefängnis saß, fragte er verunsichert bei Jesus an, ob er wirklich der Messias, der versprochene Retter, warJesus verwies als Antwort auf seine Heilungen (Matthäus 11,1-6). Er kritisierte die Orte, in denen er besonders viele Menschen geheilt hatteDenn die Menschen dort glaubten ihm trotz seiner Taten nicht, dass mit ihm der Messias gekommen war (Lukas 10,11-16). Den einflussreichen Gruppen der Pharisäer und Sadduzäer warf Jesus vor, dass sie am Himmel ablesen konnten, welches Wetter sich ankündigte. Aber sie konnten nicht in seinen Wundern die Zeichen der Zeit erkennen (Matthäus 16,1-4). Am Ende kam die jüdische Führung zusammen und gestand sich zwar seine Wunder ein (Johannes 11,47)Doch trotzdem beschlossen die VerantwortlichenJesus zu töten (Johannes 11,53). Selbst eine Totenauferweckung konnte sie nicht umstimmen. Stattdessen überlegten sie, den Auferweckten gleich mit Jesus zu töten, weil er Jesus zu viel Publicity bescherte (Johannes 12,9-11). 

 

Die Gründe für die Ablehnung von Jesus 

Angesichts dieses Gegensatzes von offenkundigen Wundern einerseits und Ablehnung und sogar Feindschaft auf der anderen Seite stellt sich natürlich die Frage: Warum glaubten so viele Menschen nicht an Jesus? – Dafür gibt es zahlreiche Gründe: 

  

1. Viele Menschen kamen nur aus Sensationslust oder um persönlicher Vorteile willen zu Jesus 

Wenn Jesus irgendwohin kam, strömten die Menschen neugierig zusammen. Das ging so weit, dass Jesus manche Städte vermied, weil dort sonst zu viele Menschen zusammenströmten (Markus 1,45). Nachdem Jesus einmal Tausende von Menschen durch ein Wunder verköstigt hatte (die sogenannte „Speisung der 5000“), liefen ihm zahlreiche Menschen nach. Er hielt ihnen vor, dass sie sich gar nicht für ihn und seine Botschaft interessierten, sondern nur für ihren gefüllten Bauch (Johannes 6,26). Die Predigt, die Jesus dann hieltpasste ihnen nicht. Also wandten sie ihm auch schnell wieder den Rücken zu (Johannes 6,60.66). Selbst wer geheilt wurde, war danach nicht automatisch ein Anhänger von Jesus. Von zehn auf einmal geheilten Aussätzigen kam nur einer zurück, um sich bei Jesus zu bedanken (Lukas 17,12-19). Und wie gesagt begriffen auch die Menschen in den Ortschaften, in denen Jesus die meisten seiner Wunder getan hatte, nicht, dass diese Zeichen ihn als Messias auswiesen (Lukas 10,11-16). Diese Leute glaubten nicht an Jesus, weil er ihnen recht gleichgültig war. Das erklärt aber noch nicht die Ablehnung oder sogar offene Feindschaft, die andere an den Tag legten. 

 

2. Der Glaube an Jesus fiel vielen Menschen schwer, weil er nicht den zeitgenössischen Erwartungen entsprach. 

Die Juden warteten seit Jahrhunderten auf das Kommen des Messias, des versprochenen Retters. Dabei rechneten sie vor allem mit einem politischen Befreier. Diese politische Erwartung findet sich auch im sogenannten „Lobgesang des Zacharias“(Lukas 1,67-71). Zacharias war der Vater von Johannes dem Täufer. Er kündigte in dieser Prophetie an, dass der Messias Israel aus der Hand seiner Feinde retten würde. Geprägt von der gleichen Denkweise machte man sich im Anhängerkreis von Jesus Hoffnungen auf Ministerposten im zukünftigen Kabinett des Messias (Markus 10,35ff). Und die Menschenmassen wollten einmal nach einem Brotwunder Jesus als neuen König ausrufen (Johannes 6,15) 

 

Jesus selbst jedoch trat völlig unpolitisch auf. Das zeigte sich nicht zuletzt, als er wie ein normaler Bürger auf einem Esel statt wie ein Herrscher hoch zu Ross nach Jerusalem einritt (Matthäus 21,1-11). Dieses Auseinanderklaffen von gesellschaftlicher Messiaserwartung und dem Selbstverständnis von Jesus konnte den Glauben von Menschen wirklich erschüttern. Das sehen wir z. B. an dem Jesusjünger Simon Petrus. Schon früher hatte Petrus den Gedanken daran, dass Jesus leiden müsste, vehement zurückgewiesen (Matthäus 16,22). Als Jesus dann verhaftet wurde, war Petrus wie versprochen (Markus 14,31) bereit, mit ihm in den Tod zu gehen. Er zog sein Schwert und war willens, für Jesus zu kämpfen (Johannes 18,10). Aber als Jesus ihn zurückrief und sich widerstandslos abführen ließ, geriet Petrus innerlich aus den FugenEr verleugnete Jesus (Markus 14,66ff.). Ein unpolitischer oder gar leidender Messias passte nicht in den damaligen jüdischen Vorstellungshorizont, auch nicht in den von Petrus. 

 

Darüber hinaus entsprach die Herkunft von Jesus nicht dem, was die Menschen damals erwarteten. Die Juden rechneten mit einem Messias aus Bethlehem (Matthäus 2,3-6). Jesus war zwar in Bethlehem geboren (Lukas 2,1-7), das war aber nicht jedem bewusst. Immerhin hatte er den größten Teil seiner Kindheit und Jugend in Nazareth im nördlichen Landesteil Galiläa verbracht (Matthäus 2,19-22). Entsprechend wurde er auch als „Jesus von Nazareth“ bekannt (s. z.B. Lukas 18,37). Seine Gegner verwandten die Herkunft aus Nazareth als Argument gegen ihn (Johannes 7,41.52). Und auch andere ließ das gegenüber Jesus zögern (Johannes 1,46). 

 

Hinzu kam, dass Jesus menschlich gesehen nicht viel hermachte: Er stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Das erkennen wir z. B. an dem bescheidenen Opfer, das seine Eltern kurz nach seiner Geburt im Tempel darbrachten (Lukas 2,24). Im Gegensatz zu einem Paulus später (Apostelgeschichte 22,3) hatte Jesus nicht bei den Gelehrten in Jerusalem studiert (Johannes 7,15). Er war besser mit den Randgruppen der Gesellschaft vernetzt, mit denen er offen gesehen wurde (Matthäus 9,10-11), als mit der politischen Führung. Seine Sympathisanten unter den Politikern suchten ihn lieber bei Nacht auf (Johannes 3,1-2) und bekannten sich nicht öffentlich zu ihm (Lukas 23,50; Matthäus 27,57). Selbst seine Geschwister erwarteten von Jesus, dass er sich im politischen Zentrum des Landes durchsetzte (Johannes 7,3-4). Jesus aber wirkte vor allem jenseits der politischen Eliten (Matthäus 4,12-17). 

 

Die offene Feindschaft und Ablehnung insbesondere einflussreicher Gruppen im Volk gegenüber Jesus lässt sich jedoch vor allem auf Folgendes zurückführen: 

  

3. Mit seiner Lehre und seinem Auftreten eckte Jesus bei vielen Zeitgenossen an. 

Ein Schlüsselthema, an dem sich die Kritik an Jesus entzündete, war sein Umgang mit dem Sabbat. Die Pharisäer nahmen es Jesus sehr übel, dass er auch am Ruhetag heilte (z.B. Markus 3,1-6). Sie sahen darin einen Verstoß gegen das Sabbatgebot (Johannes 9,14-16). Weniger brisant, aber trotzdem auffallend war, dass Jesus nicht alle religiösen Gepflogenheiten mitmachte. Es fiel auf, dass er und seine Jünger sich vor dem Essen nichtaus rituellen Gründen die Hände wuschenDas verlangte zwar nicht das Gesetz, aber die jüdische Traditionen (Lukas 11,37-39; Matthäus 15,1-2). 

Größeren Anstoß jedoch nahmen die Pharisäer daran, dass Jesus zwanglos mit Gruppen verkehrte, die sich durch ihr moralisches Verhalten disqualifiziert hatten (Lukas 15,1-2; Markus 2,16). Jesus hieß zwar das Verhalten dieser Gruppen nicht gut, aber er zog sich auch nicht von ihnen zurück. Stattdessen erlebte er, wie einzelne ihr Verhalten änderten (Lukas 19,8) und sich ihm anschlossen (Markus 2,14). Für die Pharisäer disqualifizierte sich Jesus damit selbst als geistliche Autorität. Sie übersahen, wie Gott in Jesus auch gesellschaftlichen Randgruppen die Hand ausstreckte. 

  

4. Jesus kritisierte führende religiöse Gruppenganz offen. 

Jesus scheute sich nicht, Missstände beim Namen zu nennen, und vermied keine direkte Konfrontation. Als er bei einem Pharisäer zu Gast war, äußerte er die sogenannten „Wehrufe über die Schriftgelehrten und Pharisäer“ (Lukas 11,37-54). In ihnen deckte er ihre Scheinheiligkeit und Fehlentwicklungen schonungslos auf. An Deutlichkeit ließ er es in seinen Auseinandersetzungen nicht fehlen. Einmal bescheinigte er seinen Kritikern ausdrücklich, den Teufel zum Vater zu haben statt Gott (Johannes 8,44). Außerdem warnte er sie vor dem Gericht Gottes (Matthäus 21,40-41.45-46; Lukas 13,31.35). Mit seiner sogenannten „Tempelreinigung“ übte Jesus Kritik daran, dass der Tempel kommerzialisiert wurde und als Handelsplatz diente (Markus 11,15-18). Er stieß Verkaufstische um und trieb die Händler aus dem Tempel. Damit zog er sich den Ärger der Hohenpriester und Schriftgelehrten zu (Markus 11,18). 

  

5. Unter dem öffentlichen Druck trauten sich viele Menschen nicht, sich zu Jesus zu bekennen. 

Die jüdische Führung traute sich zwar nicht, öffentlich gegen Jesus vorzugehen. Trotzdem schufen sie ein Klima der Angst und Verunglimpfung, mit dem sie Stimmung gegen Jesus machten. Zum einen versuchten sie, diejenigen als dumm darzustellen, die Jesus folgten (Johannes 7,48-49). Zum anderen drohten sie mit Ausschluss aus der Synagoge, wenn sich Menschen zu ihm bekannten (Johannes 9,22; Johannes 12,42). 

 

All diese Punkte zeigen gewisse Facetten, warum Menschen nicht an Jesus glaubten. Sie treffen aber noch nicht den Kern des Problems. Die entscheidende Frage war, ob Menschen bereit waren, Jesus so zu akzeptieren, wie er sich selbst sah. Daran entschied sich, ob sie Jesus Glauben schenken konnten oder nicht. Das Problem war (und ist bis heute), dass der Selbstanspruch von Jesus keinen neutralen Umgang mit ihm zulässt. Er fordert zu einer Entscheidung herausMan muss ihn entweder annehmen oder ablehnen. 

 

Jesus hatte ein ganz klares Bild von sichDieses Bild ist der Hintergrund für alle Konflikte mit seinen Zeitgenossen. Jesus verstand sich zwar nicht als politischer Messias, aber nichtsdestotrotz als der versprochene Retter. Greifbar wird das an seiner häufigen Selbstbezeichnung als „Menschensohn“ (z.B. Matthäus 8,20). Der Ausdruck ist eine Anspielung auf eine Prophetie des Propheten Daniel (Daniel 7,13-14), in der jemand mit dem Aussehen eines Menschen vor den Thron Gottes kommt und ewige Macht über die ganze Welt erhält. Jesus erhob den Anspruch, dieser „Menschensohn“ zu sein. Er berief sich sogar noch im Verhör vor dem Hohen Rat auf diese Prophetie (Matthäus 26,63-64). Im gleichen Verhör stellte sich Jesus zu dem Anspruch, der Sohn Gottes zu sein. Beides zusammen betrachtete die jüdische Führung als Gotteslästerung und verurteilte ihn zum Tode.  

 

In seinem gesamten Auftreten und seiner Lehre wird deutlich: Jesus sah sich nicht nur als beliebigen Lehrer, sondern trat mit göttlicher Autorität auf. Das wird auch bei den oben angeführten Punkten deutlich, mit denen Jesus bei seinen Zeitgenossen aneckte. Als Sohn Gottes konnte er die Deutungshoheit über den Sabbat beanspruchen und sich „Herr über den Sabbat“ nennen (Lukas 6,5). Und er konnte zeitgenössische Fehldeutungen des alttestamentlichen Gesetzes mit letzter Autorität zurückweisen, wie er es in der Bergpredigt tat (Matthäus 5,20-21.27 usw.) oder in den erwähnten Wehrufen über die Schriftgelehrten und Pharisäer (Lukas 11,37-54). Er konnte aber Menschen auch mit Absolutheit herausfordern, ihm zu glauben. Und er warnte sie, dass nur er der Weg zum himmlischen Vater war (Johannes 14,6; Johannes 3,36). Dabei forderte Jesus nicht nur bloße Worte, die ihn als Messias anerkannten. Er beanspruchte für sich das Recht, Menschen für ihr ganzes Leben in seinen Dienst rufen zu dürfen. So konnte er den Zöllner Levi in sein Team rufen (Markus 2,14) oder auch den Fischer Petrus (Markus 1,16-18). Er konnte seinen Jüngern in der Bergpredigt einschärfen, dass ein Leben mit ihm nicht nur ein rein äußerlich-formaler Akt ist. Ein Leben als Jünger von Jesus betrifft alle Lebensbereiche bis hinein in die Gedankenwelt (Matthäus 5,28). 

 

Für die religiösen Eliten damals hätte es viel bedeutet, diesen Anspruch von Jesuanzuerkennen: Sie hätten ihren eigenen Anspruch auf Deutungshoheit über das alttestamentliche Gesetz loslassen müssen. Mehr noch: Sie hätten bereit sein müssen, sich zu hinterfragen. Sie hätten zugunsten von Jesus auf Macht und Einfluss verzichten müssen. Der römische Stadthalter Pilatus durchschaute später, dass die jüdische Führung Jesus aus Neid zum Tod bestimmt hatte (Matthäus 27,18). Schließlich waren die Menschenmassen Jesus nachgelaufen statt ihnen (Lukas 19,47-48). Sie hätten aber auch an anderer Stelle bereit sein müssen, ihr Leben zu hinterfragen, etwa beim Thema Geld (Lukas 16,14) oder Ansehen (Lukas 11,43). 

 

Grundsätzlich stellte sich die Frage (und sie stellt sich bis heute): Ist jemand bereit, diesen Anspruch von Jesus als Sohn Gottes zu akzeptieren? Und sind wir bereit, unser Leben von Jesus hinterfragen und neu ausrichten zu lassen? 

 

Es ist nur fair, dabei zu überlegen: Ist dieser Selbstanspruch von Jesus berechtigt? – Und damit sind wir wieder am Anfang: Jesus hat sich ausgewiesen durch unzählige Wunder. Zahlreiche Zeugen haben diese Wunder mitbekommen. Sie haben sogar seine Auferstehung miterlebt und sie bezeugt. Sie standen dafür mit ihrem Leben ein.  

 

Warum also glaubten Menschen nicht an Jesus? – Kurz gesagt: Sie begriffen nicht, wer Jesus war, oder sie wollten es nicht begreifen. Sie hätten dann nämlich ihr Leben ändern müssen. Bis heute lohnt es sich, über die Frage nach der Identität von Jesus genauer nachzudenken. 

 

 

Holger S. Hinkelmann, Theologe

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Geändert am: 12.02.2024

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