Der Chef diktiert und der Sekretär tippt den Brief ab. So einfach war und ist es mit der Entstehung der Offenbarung nicht. Aber die ersten drei Verse am Anfang des inhaltsschweren Buches sagen uns,
dass Jesus Christus die Offenbarung von seinem himmlischen Vater empfangen hat und
dass darin die Zukunft erörtert wird, die bald geschehen muss,
damit Menschen, die an Christus glauben, erfahren, wie es im Himmel und auf Erden weitergehen wird (Offenbarung 1,1-3).
Aus der Offenbarung selbst erfahren wir Folgendes über ihren Entstehungsprozess: Gott, der Vater, offenbarte die zukünftigen Ereignisse seinem Sohn Jesus; dieser übermittelte sie seinem Jünger Johannes durch einen Engel. Und Johannes bezeugt, dass es sich um das Wort Gottes handelt, das er niederschrieb, um es bekannt zu machen. (Offenbarung 1,1-2)
Diese „himmlische Post“ geht auch an uns heute. Diejenigen, die das prophetische Buch lesen oder andern vorlesen, werden als besonders glückliche Menschen bezeichnet. Und diejenigen, die es hören, zu Herzen nehmen und befolgen, können sich ebenfalls glücklich schätzen. (Offenbarung 1,3) Grund genug, dass wir uns die Sache genauer anschauen:
Springen wir zurück in die Zeit, als Jesus auf der Erde lebte. Nach seiner Auferstehung aus dem Tod war Jesus immer wieder mit seinen Jüngern zusammen. Er sprach mit ihnen, sie aßen miteinander, er beantwortete ihnen ihre Fragen. Das ging vierzig Tage lang so. Danach kehrte er zu seinem Vater in die himmlische Herrlichkeit zurück. (Apostelgeschichte 1,1-3)
Damit war das vertraute Verhältnis zwischen Vater und Sohn wieder so hergestellt, wie es von Anfang an war. Die Rettungsgeschichte für die Menschen auf der Erde war mit dem Tod von Jesus am Kreuz beendet. Nicht beendet ist aber die Verbindung zu seinen Leuten, die an ihn glauben. Dafür ist der Heilige Geist zuständig. Jesus hatte versprochen: „Ich werde den Vater um etwas bitten: Er wird euch an meiner Stelle einen anderen Beistand geben, einen, der für immer bei euch bleibt. Das ist der Geist der Wahrheit.“ (Johannes 14,16-17a) So ist es gekommen. Bis heute.
Außerdem sagte Jesus in dem großen Gebet vor seiner Kreuzigung: „Ich bete auch für alle, die durch ihr Wort zum Glauben an mich kommen. Sie sollen alle untrennbar eins sein, so wie du, Vater, mit mir verbunden bist und ich mit dir. Dann können sie auch mit uns verbunden sein.“ (Johannes 17,20-21)
Wer Jesus nachfolgt, ist also mit der himmlischen Dreieinigkeit verbunden. Darum ist es im Himmel nicht mehr ganz so wie früher: Wir gehören – in Christus – dazu. Wenn das kein Grund zur Freude ist!
Im Buch der Offenbarung durch Jesus Christus stellt sich Johannes als Absender vor: „Johannes. An die sieben Gemeinden in der Provinz Asia“ (Offenbarung 1,4).
Die Gemeinden in Kleinasien, in der heutigen Türkei, kannten den hochbetagten Johannes gut. Von Ephesus aus hatte er vielen Menschen von Jesus Christus erzählt und verkündet, dass sie nur durch den Glauben an Jesus zu Gott kommen können (vgl. Johannes 5,24).
In jener Zeit wurden die Christen oft bedrängt und verfolgt. Lesen wir, was Johannes dazu in seinem Buch aufgeschrieben hat:
„Ich, Johannes, euer Bruder, habe das Wort Gottes verkündet und bin als Zeuge für Jesus aufgetreten. Deswegen bin ich auf die Insel Patmos verbannt worden. Wegen Jesus bin ich mit euch zusammen in Bedrängnis.
Aber wegen Jesus habe ich mit euch auch Anteil am Reich Gottes und bleibe standhaft im Glauben.“ (Offenbarung 1,9)
Die Insel Patmos ist nicht erfunden. Die zerklüftete Insel gehört zu den Sporaden an der Westküste Kleinasiens und kann heute noch besucht werden.
Dort geschah die Initialzündung für das Buch der Offenbarung Jesu Christi an einem Sonntag:
„Am Tag des Herrn wurde ich vom Geist Gottes ergriffen. Und ich hörte eine mächtige Stimme hinter mir, die war laut wie eine Trompete. Die Stimme sagte: ‚Schreib in ein Buch, was du siehst ...‘
Ich drehte mich um, um zu sehen, wessen Stimme da mit mir redete. Und als ich mich umdrehte, sah ich sieben goldene Leuchter. Mitten zwischen den Leuchtern sah ich jemanden, der aussah wie ein Menschensohn. Er hatte ein langes Gewand an und trug ein goldenes Band um die Brust. Sein Kopf und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, ja wie Schnee. Seine Augen glichen lodernden Flammen. Seine Füße glänzten wie Golderz, das im Schmelzofen glüht. Seine Stimme klang wie das Tosen von Wassermassen.
In seiner rechten Hand hatte er sieben Sterne und aus seinem Mund kam ein doppelschneidiges, scharfes Schwert. Sein Gesicht leuchtete so hell wie die Sonne zur Mittagszeit.
Als ich ihn sah, brach ich wie tot vor ihm zusammen.“ (Offenbarung 1,10-17a)
Aus Respekt vor der gewaltigen Schilderung dessen, was Johannes widerfahren ist, wollte ich den Text nicht durch eigene Worte erzählend glätten und eingängiger machen. Gut ist es, den Text mehrfach zu lesen und auf sich wirken zu lassen. Versuchen wir aber trotzdem, zu klären, was im Text steht:
Die Bibel berichtet auch an anderer Stelle von einer Stimme, die laut wie eine Trompete oder Posaune in die Welt hineindröhnte. Dies geschah z. B. am Berg Sinai, als Gott zum Volk Israel sprach. Wer diese donnernde Stimme hörte, erschrak bis ins Mark. Ich empfehle, den Text nachzulesen in 2. Mose 19,20-25.
Also haben wir es in Offenbarung 1 mit einer göttlichen Stimme zu tun, genauer: mit der Stimme des auferstandenen Jesus, des Menschensohns. So bezeichnete sich Jesus oft, während er auf der Erde mit den Jüngern unterwegs war, z. B. in Johannes 1,51: „Amen, Amen, das sage ich euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen. Und die Engel Gottes werden vom Menschensohn zum Himmel hinaufsteigen und von dort wieder zu ihm herabsteigen!“
Johannes schildert die priesterliche Kleidung und das Aussehen des Auferstandenen. Die Wirkung ist so gewaltig, dass er ohnmächtig zu Boden stürzt. Keine Spur vom „lieben Jesulein“, das „fünfe gerade sein lässt“, sondern der Auferstandene ist umflutet von einer für uns Menschen unerträglichen Klarheit, von Licht und Kraft.
Und in den folgenden Kapiteln, die Johannes sehen und hören wird, gibt es Passagen, da können uns Hören und Sehen vergehen, so urgewaltig und schnörkellos sind sie. Auch sind immer noch manche Texte rätselhaft, die selbst die klügsten Theologen nicht mit Sicherheit entschlüsseln konnten.
Jesus lässt den ohnmächtigen Johannes aber nicht einfach liegen und kümmert sich weiter um seine himmlischen Geschäfte. Nein, er legt seine Hand auf ihn und spricht mit ihm und tröstet ihn: „Fürchte dich nicht!“
„Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch schau her: Ich lebe für immer und ewig, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zum Totenreich.“ (Offenbarung 1,17b+18)
Jesus ist die große Schlüssel-Person, die alles umspannt von allem Anfang an – „der Erste!“ – bis zum ganzen Schluss – „der Letzte“. Darin eingeschlossen ist die große Weltgeschichte der Völker; sie sind vor Gott „wie ein Tropfen aus dem Eimer“ (Jesaja 40,15).
Mittendrin finden wir auch die Geschichte des jüdischen Gottesvolkes: „Tröstet, tröstet mein Volk! Spricht euer Gott“ (Jesaja 40,1). Und genauso die Geschichte der Gemeinde von Jesus: „Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes … Er ist vor allem da, und in ihm hat alles Bestand.” Und „er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde“ (Kolosser 1,15.17.18).
Was Johannes hört und sieht, kommt von Jesus Christus, der seit seiner Auferstehung von den Toten und der Rückkehr ins ewige Reich seines Vaters als Gottes Sohn wirkt und regiert. Deshalb kann Jesus Johannes offenbaren, was in Zukunft geschehen wird. All das schrieb Johannes in dieses Buch, er notierte in eigenen Worten, was er sah, er zitierte auch wörtlich, was er hörte.
Wir lesen am Ende der Offenbarung u. a.: „Der Engel sagte zu mir: ‚Diese Worte sind zuverlässig und wahr. Der Herr selbst, der Gott, dessen Geist durch die Propheten spricht, hat seinen Engel gesandt. Er sollte seinen Dienern zeigen, was in Kürze geschehen muss.‘
– ‚Gebt acht: Ich komme bald. Glückselig ist, wer an den prophetischen Worten in diesem Buch festhält.‘ –
Ich, Johannes, habe das alles gehört und gesehen.
Und als ich es gehört und gesehen hatte, warf ich mich vor dem Engel nieder. Ich wollte ihn anbeten, denn er hatte mir all das gezeigt.
Aber er sagte zu mir: ‚Tu das nicht! Ich bin ein Diener Gottes wie du und deine Brüder und Schwestern, die Propheten. Ich bin wie alle anderen, die an den Worten dieses Buches festhalten. Bete Gott an!‘
Dann sagte der Engel zu mir:
‚Behalte nicht für dich, was an prophetischen Worten in diesem Buch steht. Denn der Zeitpunkt steht kurz bevor, an dem sie in Erfüllung gehen.‘“ (Offenbarung 22,6-10)
Wir haben Grund genug, diese Worte zu Herzen zu nehmen.
Sr. Heidemarie Führer
Diakonissenmutterhaus Aidlingen